Vorbemerkung
Die kanafzentrische, regionalhistorische mündliche Dichtung der Migration der Neno-Namengruppe präsentiere ich, wie jede andere aus aus Kuan Fatu auch, in zwei unterschiedlichen Textsorten. Allerdings weicht die folgende, umgangssprachliche Erzählung der Geschichte Nenos von J.Ch. Sapay, die er am 9. Februar 1992 gleich im Anschluss an Seos Dichtung vortrug, gleich zweimal von dessen Version ab, wie ich bereits in Kommentaren der poetischen Version erwähnt habe: in der Erzählung von Nenos Sieg am Tapan und der dritten Migration nach Kuan Fatu
Ni Nenos Geschichte
Früher hatte Ni Neno einen Großvater und lebte im Weiler Benu am Fuß des Mutis, im Land Molo, im zentralen Bergland Westtimors. Damals erinnerte Ni Neno sich und schaute hinunter in den Lamu, wo es freies Land (pah) im Überfluss gab. Dort wollte er siedeln und seinen eigenen Anteil (nama`) erwerben. Damit seine Lineage auf eigene Weise leben (taos), und seine Nachkommenschaft gedeihen kann (mahonin). Dort gab es kundige Männer, die Regen rufen und das Land fruchtbar machen konnten.
Zuletzt brachen Nai Kius Pitae und Nai Lil Mata Kbeti auf und machten sich auf den Weg nach Süden. Sie kannten die Adat (lasi) und kamen nicht heimlich, und erst recht nicht durch die Hintertür zu unserem Herrn und Herrscher, zu unserer Mutter und zu unserem Vater Ni Koli, Ni Toli, Ni Amu, Ni Nope, Ni Nuban und Ni Toi, die in Klaban und Tain Lasi, in Maunu und Niki Niki in ihrem Palast und in ihrer Residenz lebten.
Kius Pitae und Lil Mata Kbeti kamen zum Fürst Nope und erwiesen diesem ihren Respekt. Schließlich fragte sie der Uis Banam:
„Wohin seid ihr unterwegs?“
Und sie antworteten ihm höflich, so wie es dem Brauch entsprach:
„Wir wollen in den Lamu, ins weite Land.“
Daraufhin erwiderte ihnen der Fürst von Banam:
„Wenn ihr in das Gebiet des Lamu wollt, weil eure Väter und Mütter und eure Ahnen dort leben, damit auch eure Kinder dort leben können, dann werde ich euch dort Land geben. Dann werde ich euch in den geschlossenen Händen halten und euch festhalten, damit ihr ins Land eurer Väter und Mütter kommt. Nämlich zu Ton und Finit, zu Babis und Sapai, nach Mae und Nai Lete, nach Kua Muke und Bi Taek, aber auch zu Tkofa und Leosae, zu Tbet und Patnai, nach Neke und Kualin, nach Kualin und Kua Tae. Wenn es dort weites Land gibt, wenn ihr dort freies Land findet, das ihr roden und bearbeiten könnt, wo ihr Kohl und Mustal, Zwiebel und Nai So` anpflanzen und kultivieren könnt, sodass die Zwiebeln groß werden und gut gedeihen, sodass der Kohl gut wächst und gedeiht, dann mögt ihr mich ernähren und mir Nahrung bringen nach Klaban und Tain Lasi, nach Maunu und Niki Niki.“ Der Fürst von Banam erließ daraufhin den Befehl, die beiden Migranten fest mit den Händen zu umschließen, sie fest in den Händen zu halten, sodass der fruchttragende und samentragende Kohl (kobi in sufan in fuan), das gedeihende und üppig wachsende Mustal-Gemüse (mustal in sufan in fuan), das Beste der Zweibeln (pio in nesan) und das Fett des Nai So`-Gemüses (nai so` in afan) in der geschlossenen Hand gehalten werden können. [1]
Kius Pitae und Lil Mata Kbeti machten sich auf den Weg in den Lamu, übertraten dabei kein Gebot, verletzten auch nicht die Ordnung, bis sie schließlich nach Mae und Nai Lete, nach Kua Muke und Bi Taek kamen. Dorthin zog sie ihre Erinnerung, nach dort wandten sie ihren Blick. Unser Herr und unser Herrscher Ni Koli und Ni Toli, Ni Amu und Ni Nope, hatte es so bestimmt und hatte es so verfügt.
So kamen die beiden Wanderer zu Ton und Finit, zu Babis und Sapai, zu ihren Herrn und ihren Herrschern, zu ihren Müttern und zu ihren Vätern. In ihre Hand nahmen sie ein Schmuckstück, einen Silbermond (noni funan mese) und reichten ihn an Ton und Finit, an Babis und Sapai mit der Bitte um Land und um See (pah ma nifu), um das weite Land und um das freie Land. Unser Herr und unser Herrscher, unsere Mutter und unser Vater erhörte sie und akzeptierte ihre Bitte. Er bestimmte für sie ihr Land, wies ihnen ihren See an, damit sie dort Kohl und Zwiebel, Musatal und Nai So` anpflanzen konnten. Ton und Finit, Babis und Sapai, gemeinsam mit ihrem Herrn und ihrem Herrscher, nämlich Ni Sole Le`u, dem großen Krieger-Kopfjäger von Banam (Meo Nae Banam), nahmen den silbernen Mondschmuck (noni funan) an und bewahrten ihn gut. Sie umschlossen Kius Pitai und Lil Mata Kbeti mit ihrer geschlossenen Hand und hielten sie fest. Und sie nannten Ni Sole Le`u den Herrn des Lamu, der sie in ihre Mitte nahm. Und der Herr des Lamu erhob seinen Fuß und begab sich nach Kele und Banabas, nach Nifu Loi und Hau Mahatas, hin zum weiten Land und zum freien Land, damit sie dort ihre Zwiebeln und ihr Nai So`-Gemüse und ihren Kohl und ihr Mustal-Gemüse anpflanzen können.
Lil Mata Kbeti siedelte zusammen mit Nai Kusi Pitae, dem Vater von Ni Mutis Neno, im Lamu. Als Mutis Neno geboren wurde, lebten sie in dem Dorf Tublopo, hatten sie dort ihre Siedlung. Die Pfosten ihres Speicher- und Versammlungshauses (lopo) stehen noch heute. Auch den Zaun um den Lopo gibt es noch immer. Auch der Zaun um das Haus steht noch immer dort, und auch ihren Siedlungsplatz gibt es noch.
In Tublopo lebten sie, versammelten sich und bewahrten dort ihre Adat. [2] Schließlich brach der wilde Feind herein, schlich in die Siedlung und kam herein. Und auch der wilde Stier schlich sich heimlich an und kam herein. Die man die schwarzen Fremden nannte, brachen auf und machten sich auf den Weg, folgten ihren Spuren. Sie kamen aus Tnan Kelo und aus Noemuti, kamen aus Teti, Ablo Mathai Neno und Bi Toi. Sie folgten ihren Spuren und griffen sie in Tublopo an, sodass Kius Pitai und Lil Mata Kbeti die Flucht ergriffen, ihren Besitz nahmen und ihre Kinder.
Auch Ni Mutis Neno und seine Frauen ergriffen die Flucht, flohen und versteckten sich auf dem Hügel Tuik Neno. Ni Lili Mata Kbeti und Ni Kusi Pitae waren schon tot, und blieben dort zurück. Ihr Kind, Ni Muit Neno, errichtete auf dem Gipfel des Hügels eine Festung (uat). Niemand wusste, ob der wilde Feind und der schwarze Stier wieder zurückkamen, um sie auf dem Tuik Neno anzugreifen. Die Frauen rollten deshalb ihr Gold und ihre Perlen, ihre Armbänder und ihr Silber, ihre Teller und ihre Kessel, in große Hüfttücher ein (mau). Sie befahlen ihren Dienern nach Koa Tenu zu gehen, um Ni Muti Neno abzuholen. [3] Sie sprachen zu ihm:
„Wir tragen dich auf den Schultern, denn der Feind ist gekommen und hat uns besiegt, und hat den Palast zerstört. Dein Vater Ni Kusi und bis Ni Lil sind gestorben. Die schwarzen Fremden haben unsere Kleider und unser Gold gestohlen, und sind in ihr Land Neomuti zurückgekehrt.“
Zur gleichen Zeit beteten die Frauen und riefen das Land an, teilten ihr Leid und ihre Not dem Tapan und dem Tuik Neno mit. Bis schließlich der Tapan und der Tuik Neno ihre Armeen sandten, [4] bis sie den Blutegel, die Hornisse und die Wespe schickten. [5] Die Wespe stach tot, die Hornisse stach tot und der Blutegel biss tot, denn die schwarzen Fremden kamen zurück, kamen wieder um zu töten. Ni Neno schickte ihnen sein Heer entgegen, nämlich die Hornissen, die Blutegel und die Wespen. Und die Hornissen vertrieben die schwarzen Fremden, jagten sie vor sich her und ließen erst in Mnela Anen von ihnen ab.
Als die Schlacht gewonnen war, betete Ni Neno und sandte das Heer zurück, sandte seine Diener (in opas), die Wespe, die Hornisse und den Blutegel, zurück zum Tapan, zurück zum Tuik Neno. [6] Ni Muti Nenos Herz war von Bitterkeit erfüllt. [7] Er versammelte seine Frau und seine Kinder, nahm seine Hennen und seine Hähne, all die Dinge, die die Fremden nicht gestohlen hatten, nahm er mit sich und ging hinunter nach Kuan Bi Musu. Er stieg hinab nach Kobe Nai Pasi und folgte dem Lauf des Noe Nono, bog schließlich nach links ab. Er kam zu einem großen Felsen mit einer Höhle an dessen Fuß, wohin er zuletzt abbog. Im Inneren der Höhle versteckten sie sich alle, brachten all ihre Kleider hinein, alle Teller und alle Löffel, alle Hühner und irdenen Gefäße. [8] In dieser Höhle, in diesem Loch im Felsen, legten sie sich zur Ruhe nieder. Als sie erwachten, hatte sich der Eingang in den Felsen geschlossen. Die Hähne krähten, [9] und wollten hinaus, kamen aber nicht hinaus, denn der Fels hatte sich ohne einen Spalt geschlossen. Den Felsen nennt man bis heute Nenos Felsen (Fatu Ni Neno), das Wasser an seinem Fuß, Nenos Quelle (Oe Ni Neno). [10]
Der Fürst von Banam (uis amnanut) hörte von Ni Nenos Schicksal, hatte gesehen, wie er Zwiebel anpflanzte, den Kohl und das Mustal-Gemüse kultivierte, damit sie Frucht tragen und zahlreich wurden. Und nun sah er und erblickte, dass der Weg verschlossen und versperrt war, sah dass die Adat zerstört und verletzt war, und dass das Ende gekommen war. [11]
Ni Tanesib und seine Schwester Bi Ke`an (auch Bi Ke Neno) lebten in ihrem Dorf und ihrem Land, nämlich in Benu. Sie dachten und erinnerten sich an Ni Lil Mata Kbeti und an Ni Kusi, die vorausgegangen waren in den Lamu. Inzwischen trug man sie dort sicher schon auf dem Rücken, waren ihre Pflanzungen bereits zahlreich und trugen reiche Frucht. Sie hatten sich dort wohl schon fortgepflanzt und viele Kinder gezeugt.[12]
Also brachen auch Ni Tanesib und Bi Ke`an eines Tages schließlich auf, um sie zu besuchen. Sie folgten den Fußabdrücken und den Fußspuren, und kamen zum Uis Banam nach Niki Niki. Sie baten ihn und befrugen ihn, über frühere Zeiten, fragten nach Ni Lil und Ni Kusi, worüber sie gesprochen hatten, welchen Weg sie eingeschlagen hatten. Der Uis Banam sollte ihnen den richtigen Weg weisen, ihnen den Pfad zeigen, damit sie sich nicht verirrten und nicht vom rechten Weg abkamen. Damit sie sich nicht im Unterholz der Bäume verfingen, sondern entlang der kleinen Sträucher sicher an ihr Ziel gelangten, um durch die anständige Tür (eno mnutu) zu gehen, und um dem höflichen Weg (lanan mnutu) zu folgen, um endlich bei ihren Großvätern Ni Lil und Ni Kusi anzukommen. [13]
Bi Ke`an und Ni Tanesib kamen herab in das Land Mae und Nai Lete, Kua Muke und Bi Taek, trafen auf Ton und Finit, auf Babis und Sapai. Die Herren des Lamu, die Krieger-Kopfjäger des Lamu, teilten ihnen mit was geschehen war, berichteten ihnen davon, und zeigten ihnen das Land und erklärten es ihnen.Sie sprachen:
„Wir glauben der Kohl und das Mustal-Gemüse, die Zwiebeln und das Nai So`-Gemüse, befinden sich noch dort und wachsen dort noch, nämlich in Kele und Banabas, und auch in Nifu Loi und Hau Mahatas. Die wilden Fremden kamen hereingeschlichen und traten ein, die wilden Fremden sind hierhergekommen und hereingekommen, sodass Ni Lili und Ni Kusi versanken und abgeschüttelt wurden, gestorben sind sie und nicht mehr hier. Ihren Sohn Ni Muti Neno schloß der Felsen ein, sodass auch er starb. Auch sie sind utergegangen, abgeschüttelt wurden auch sie.“
Dann zeigten ihnen Ton und Finit, und auch Babis und Sapai, wo die Zwiebeln wuchsen und kultiviert wurden, wo das Mustal-Gemüse gepflanzt und gepflegt wurde. Sie forderten sie auf, mit ihnen hinaufzusteigen nach Kele und Banabas. Und sie schickten Boten nach Neke und Kualin, nach Kualin und Kua Tae, zu Ni Tkofa und Ni Leosae, und auch zu Ni Tbet und Ni Patnai, die sich gleich auf den Weg machten und aufbrachen, [14] hinauf nach Kele und Banabas, nach Niuf Loi und Hau Mahatas.
Und Ni Tanesib und Bi Ke`an siedelten sich dort an und errichteten dort ihre Siedlung, bekräftigten und versprachen die Adat zu bewahren. Durch Bi Ke`an und Ni Tanesib wuchsen die Zwiebeln und Nai So` wieder, pflanzte man erneut Kohl und Mustal-Gemüse an, [15] dort in Kele und Banabas, in Niuf Loi und Hau Mahatas. In den folgenden Tagen und in den folgenden Nächten zeigten und bestimmten Ni Toni und Ni Sole ihnen ihr Land, zeigten und bestimmten sie ihnen ihre Heimat, teilten sie den Boden für sie auf und teilten das Land für sie ein.
Bi Ke`an heiratete Ni Toni, ging mit ihm auf die andere Seite des Hügels, verschwand mit ihm auf die andere Seite der Anhöhe, [16] um die Arekapalme zu beschützen und die Kokospalme zu pflegen, [17] in Neke und Kualin, in Kualin und Kua Tae.
Ni Tanesib aber blieb und siedelte, am Ort des Kohls und des Mustal-Gemüses, am Platz der Zwiebeln und des Nai So`, in Kele und Banabas, in Nifu Loi und Hau Mahatas. Ni Tanesib blieb kinderlos, in den Tagen, die da kamen. Er zeugte keine Kinder und pflanzte sich nicht fort, wurde kein Ursprung und keine Wurzel (ka maun ka matunaf). Er lebte dort, bis er zurückging, zurück zum Mutis und nach Babnain, nach Molo und Miomafo, bis zum Noe Labet. Dort wurde er krank, bekam Fieber und Kopfschmerzen, litt unter Husten und Schnupfen. Schließlich starb Ni Tanesib und seine Leiche wurde in Noe Labet begraben.
Zuletzt folgten Ni Naut Neno und Ni Nubai Neno. Sie sahen den Weg, der verschlossen und versperrt war, sie erblickten die Tür, die geschlossen und verriegelt war. Sie brachen auf und folgten den Spuren und den Fußabdrücken ihrer Väter. Und so kamen auch sie zu unserem Herrn und unserem Herrscher, unserer Mutter und unserem Vater. Sie baten ihn und sie frugen ihn, nach den zwei früheren Wegen und den zwei vergangenen Malen, fragten nach Ni Kusi und Ni Lili, erkundigten sich nach Ni Tanesib und Bi Ke`an, von denen sie in Benu nichts mehr gehört hatten, von denen keine Nachricht kam. Sie wollten ihren Spuren folgen, beabsichtigten in ihre Fußstapfen zu treten, wollten sehen, ob sie gut wohnten und ob sie sich gut angesiedelt hatten, an ihrem Ort und in ihrem Weiler. Dies wollten sie hören, darüber wollten sie etwas erfahren. Und der Uis Banam (uis amnanut) wies auch ihnen den Weg und zeigte ihnen die Fährte.
Schließlich brachen sie auf, machten sich auf den Weg, bis hinunter nach Mae und Nai Lete, nach Kua Muke und Bi Taek, zu Ton und Finit, zu Babis und Sapai. Dort trafen die Migranten sie, begegneten ihnen, gemeinsam mit ihrem Herrn und ihrem Herrscher, nämlich Ni Sole Le`u. Die Herren des Lamu, die Krieger-Kopfjäger des Lamu, zeigten Ni Natu den Ort und wiesen Ni Nubai den Weg, den Pfad nach Kele und Banabas, nach Nifu Loi und Hau Mahatas.
Der eine Maiskolben und der Kopf, der eine, nämlich Ni Nubai, kehrte um und ging zurück, ging hinunter und stieg hinab, ging nach Kiu in Noen, ging nach Linah in Noen, nämlich nach Sunam und Nifu Usi, nach Kiu Lai und Oe Biuk. Der ältere aber, Ni Natu, wurde Ursprung und Wurzel, trug Blüten und brachte Nachkommen hervor, ältere und jüngere, nämlich Ni Neno, Ni Neno Usi, den älteren, Ni Neno Besi den mittleren und die beiden jüngsten, Ni Neno Pa`e und Ni Neno ... [18] Die vier Maiskolben und die vier Köpfe begründen Ni Nenos Namen und Ruf, seinen fafi iukan ma konat tai nonom ua sisin, sie hängen herab und hängen an Ni Nenos oef ma so`it, [19] verbinden sich mit ihm bis zum heutigen Tag, bis zur heutigen Nacht, sodass das Land Neke und Kualin, Kualin und Kua Tae, gefüllt und angefüllt ist mit Ni Nenos pah nama` taon mahonis. [20] Und auch das Land Mae und Nai Lete, der See Kua Muke und Bi Taek, wurden angefüllt und aufgefüllt. Und Ton und Finit, Babis und Sapai tragen Ni Nenos Land, seinen Anteil, sein Eigenes und seine Nachkommen auf ihrem Rücken. [21]
Ni Ton aber hatte einen eigenen Willen, fasste seinen eigenen Entschluss. Und auch Ni Babis hatte einen eigenen Willen und fasste seinen eigenen Entschluss, und sie sprachen:
„Nun gut, wir siedeln Ni Neno in Kele und Banabas an, befestigen ihn in Nifu Loi und Hau Mahatas, auf dem Gipfel des Hügels und auf der Spitze der Anhöhe. Dann kann er von Ni Tonis Land essen, von Neke und Kualin, von und Kualin und Kua Tae. Und er kann ebenso gut von Mae und Nai Lete, von Kua Muke und Bi Taek essen, nämlich von Ton und Finit, von Babis und Sapa. Möge es so gut sein
So lautet die Überlieferung der Ankunft Ni Nenos im Lamu, der Bericht über die drei Migrationen und über die Rolle, die Ton und Finit, Babis und Sapai dabei spielen, zusammen mit Ni Tkofa und Ni Leosae, mit Ni Tbet und Ni Patnai, mit ihren Herren und mit ihren Herrscher, Ni Toni und Ni Sole. Dies alles ereignete sich in Mae und Nai Lete, in Kua Muke und Bi Taek, und auch in Neke und Kualin, in Kualin und Kua Tae. Dort wurde Ni Neno auf dem Rücken getragen, wurde er auf den Schoß gehoben, vom ersten über das zweite Mal bis heute.
Erinnert euch noch in den kommenden Generationen daran. [22] Möge die Nadel fortwährend eingestochen, der Faden fortwährend durchgezogen werden, damit wir und Ni Neno uns achten, damit Ni Neno kein Verdruss erwächst und damit wir ihn nicht loslassen. [23] Früher hatten wir unsere eigenen Gedanken, hatten unsere eigenen Gefühle, unseren eigenen Willen und unser eigenes Empfinden. Unser Herr und unser Herrscher, der große Krieger-Kopfjäger, nämlich Ni Sole Le`u, nahm Ni Neno auf, sodass er bei uns siedeln konnte, seine Adat bewahren konnte. Wir verbanden uns mit ihm, und wir lebten mit ihm zusammen auf dem Gipfel des Hügels, auf der Spitze der Anhöhe.
Verehrte Väter, [24] ich, der ich dies erzählt habe, diese Ereignisse weitergebe, heiße Johan Christian Sapay. Erinnert euch an meine Worte, damit wir ebenso handeln, bedenkt, was ich euch berichtet habe und für euch bewahre.
Anmerkungen
[1] Im Originalext heißt es (na-)nesan (na-)afan. Das Substantiv nesan ist die Essenz, der begehrte Inhalt einer Sache oder Person (als Charisma). Mit diesem Begriff bezeichnet man das Beste, den Wert dieser Sache oder der Person. Hier sind es die essbaren Früchte, die Knollen und Wurzeln der Pflanze, die für die menschliche Ernährung bedeutend sind, und die daher als nesan bezeichnet werden. Der parallele Begriff afan, Fett, ist in Bezug auf eine Pflanze ungewöhnlich. Er entspricht eher dem erwünschten Zustand von Schweinen und Rindern. Als parallele Ergänzung eines Wortpaares und in synonymer Weise meint er aber wie nesan die besondere Qualität des später zu erntenden Produkts der landwirtschaftlichen Arbeit, die groß und fett sein soll.
[2] Wenn vom Bewahren der Adat die Rede ist, so meint der Erzähler damit, dass die Rechstnormen und die konventionelle Etikette, also die guten Sitten und die erwartete Höflichkeit, gewahrt werden. Die Vorschriften der Adat garantieren ein friedliches und gerechtetes Zusammenleben der Gemeinschaft.
Manauk-manaukan bedeutet: sich gegenseitig mit dem Akun-Namen ansprechen. Mit der Ankunft der Kaes Metan wurde diese Ordnung zerstört.
[3] Den folgenden Abschnitt der Erzählung hat Seo in seiner Dichtung der Geschichte Nenos nicht erwähnt. Für die Kommentare siehe dort.
[4] Sapay spricht von solalus und meint damit Soldat. Solalus ist eine Entlehung aus dem malaiischen, die lautliche Anpassung von serdadu an das Uab Meto. Der indigene Terminus ist meo, der aber auch das Heer bezeichnet. In der Nähe von Niki Niki gibt es eine Wasserstelle, die Oe Solalus genannt wird, weil sie im zweiten Weltkrieg von den Japanern, die in Niki Niki stationiert waren, für ihre Zwecke monopolisiert wurde.
[5] Oin babu ist ein, der Hornisse ähnliches, schwarzes Insekt, dessen Stich äußert schmerzhaft ist. Dieses Insekt ist ein Einzelgänger, nicht staatenbildend, und lebt nur zeitweise mit einem Weibchen in einem kleinen Stock zusammen.
[6] Opas bezeichnet einen Dienstboten. Im Kontext der vorliegenden Erzählung handelt es sich um kaun opas, um bösartige Insekten, die ihre Königin ernähren und ein organisiertes Staatswesen unterhalten (Soldaten).
[7] Mit in nekan namle`u beschreibt der Erzähler den emotionalen Zustand von Ni Neno, dessen Herz (nekan) von Reue und Vorwürfen gequält wird (namle`u), da er die ihm anvertrauten Menschen und deren Besitz nicht vor den Kaes Metan schützen konnte.
[8] Mit in die Höhle gebrachten sie auch aba teme, noch nicht entkernte, frisch vom Strauch gepflückte Baumwolle (abas, Baumwolle; teme, unversehrt, intakt; jungfräulich). Auf gar keinen Fall, so die Atoin Meto, dürfe Aba teme in eine Höhle mitgenommen werden. Verstößt jemand gegen dieses Gebot, so schließt sich die Höhle mit Sicherheit hinter ihm.
Eine Erklärung für diese Überzeugung ist nicht unmittelbar, und erschließt sich auch nicht sofort. Die Brücke, die die Atoin Meto zwischen der noch nicht entkernten Baumwolle und der sich schließenden Höhle herstellen, vermittelt das Attribut teme: Das Verb natem bedeutet wieder intakt werden oder wieder in den unversehrten Zustand zurückkehren. Die Unversehrtheit der Baumwolle kontrastiert die Versehrtheit des Felsens durch eine Höhle. Die Frage, die bleibt, ist folgende: Warum ist es gerade die Baumwolle, die die Höhle schließt? Warum nicht die Jungfrau, die im Uab Meto als ao teme, unversehrter Körper, bezeichnet wird, und die eine Höhle ohne Angst betreten kann. Trotzdem: eine sexuelle Konnotation drängt sich auf.
[9] Das Krähen von Hähnen bezeichnet das Uab Meto als kokleo. Andere Begriffe für die Stimmen von Hühnern sind: kokoe, das typische Gackern einer Henne, bevor sie ein Ei legt, sokateo, ihr Gackern nachdem sie ein Ei gelegt hat. Das Gackern der Junghühner heißt kikio.
[10] Der Name Stein (fatu) oder Quelle (oe) Ni Neno für diesen Ort ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich hier um den Ursprungsort, auch fatun genannt, einer Kanaf handelt, den Ritualort für diese Gemeinschaft, der in ihrer Geschichte zu allererst besiedelt wurde. Fatu Ni Neno und Oe Ni Neno ist der Ort, an dem die vereinte Namengruppe Neno als der Groß-Klan (kanaf) ihre Rituale zelebriert.
[11] Mit el batan bezieht sich der Erzähler auf eine Übertretung der Adat. Ele, übertreten, überspringen; batan, ein kleiner, etwas höher als das Bodenniveau liegender Weg, ein Deichweg zwischen Reisfeldern.
[12] Die Formel Nanes nanan na`af nanan / nahoin nanan nataobon nanan im Originalext bringt die Hoffnung zum Ausdruck, dass es den Migranten im Lanu inzwischen gut geht, sie reiche Ernte und viele Kinder haben. Die Lexeme nan oder nanan folgen immer dann dem Verb, wenn sich etwas schon ereignet hat, etwas schon durchgeführt wurde.
Nan(an) kann auch nehmen bedeuten.
[13] Der Wortstamm bua besitzt mehrere Bedeutungen:
- Das Verb nabua, sich zusammenballen, sich klumpen. In Amanuban gibt es kleine Wäldchen, die aus Sträuchern und kleineren Bäumen bestehen. Die Sträucher und Pflanzen stehen dort so eng, dass sie mit Schlingpflanzen und Lianen, die auf ihnen schmarotzen, ein fast undruchdringliches Dickicht bilden. Durch diese kleinen Wäldchen zu gehen ist mühsam und gefährlich. Mühsam, da man sich durch das dichte Pflanzengewirr und Unterholz drängen muss, gefährlich, da diese Wäldchen der bevorzugte Aufenthaltsort von großen Schlangen wie dem Felspython (luiksae) und der Koko-Schlange sind. Hirsche (lus) wurden auf der Jagd bevorzugt in diese Wäldchen gehetzt, da sie sich dort mit ihren Hörnern verfingen und für den Jäger eine leichte Beute wurden. Andererseits finden Wildschweine (fafi fui), ihrer geringen Körperfülle wegen, dort Zuflucht vor ihren Verfolgern.
- Bua ist auch eine Bezeichnung für die in Astgabel und Astursprung wachsenden Orchideen. Diese Orchideen umgeben diese Stellen, sodass es schwierig wird, den Baum zu besteigen. Die mit Orchideen bewachsenen Aststellen sind bevorzugte Orte für Vogelnester. Das Uab Meto kennt noch einen anderen Namen für die Orchidee, tope. Erst wenn sich mehrere Orchideen an einer Stelle befinden, diese verengen und schwer passierbar machen, verwendet man bua.
- Die eng zusammenliegenden Palmfasern der Arenpalme bezeichnet man als bua nao. Der Wortstamm bua dient auch in diesem Fall der Bezeichnung der Beengung. Im übertragenen Sinn meint man damit die verfilzten Haare. Indem Ni Tanesib und Bi Ke`an den Uis Banam in Niki Niki aufsuchen, halten sie die Vorschriften der Adat ein. Sie beabsichtigen sich unter seinen Schutz zu stellen, um auf ihrem Weg durch Amanuban nicht in Bedrängnis oder in unkalkulierbare Gefahren zu geraten. Sie wählen mit ihrem Verhalten den leichten Weg, durch die gut überschaubare Buschsavanne, an den kleinen Bäumen (hau anah) vorbei. Sie sind bemüht, das unübersichtliche, bua genannte Gelände vermeiden.
[14] Im Originaltext heißt es ital nem ma atal nem. Die Bedeutung von ital habe ich bereits in Seos Version erläutert. Atal scheint ein durch die Forderung paralleler Wortpaare entstandenes Lexem zu sein: ital / atal. Semantisch sind beide Lexeme identisch, sie unterscheiden sich nur in ihrer Form. Als austronesische Sprache kennt die Bahasa Indonesiea viele Beispiele solcher Wortveränderungen: kasak-kusuk, Geflüster, in Bezug auf Angelegenheiten, die nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen; hiruk-pikuk, durcheinander lärmemder Tumult oder hilir-mudik, hin- und hergehen und so weiter.
[15] Im Original verwendet J.Ch. Sapay das parallele Paar nahakeb / namni. Während nahakeb, sich aufrichten, sich aufstellen, einen abgeschlossen Prozess bezeichnet, ist der Prozess des sich Aufrichtens mit namni noch nicht beendet: eine Person steht mit gebeugten Knien, die Hände berühren stützend den Boden.
[16] Enib, umdrehen, im Sinne von auf den Kopf stellen. Wenn Bi Ke`an mit Ni Toni über den Hügel auf die andere Seite steigt, entzieht sie sich, sobald sie den Gipfel überquert hat, dem Blick des Hinterherschauenden.
[17] Puah tolo oder noah tolo, die gerade aus dem Boden hervorgekommene Pflanze. Im Gegensatz dazu: puah tunan die junge Pflanze, bei der die ersten Blätter sprossen.
[18] Der Eigenname des jüngsten Neno ist aufgrund von technischen Schwierigkeiten bei der Aufnahme verlorengegangen.<(p>
[19] Fafi iuk ma konat, der Teil des geschlachteten Schweins, inklusive Schwanz des den Haaren, der für eine sozial hochstehende Person bestimmt ist. Dieser Anteil enthält außerdem das Fleisch, dass die Wirbelsäule des Tieres umgibt. Als tain nonon heißt der Anteil des geschlachteten Tiers, der den Ahnen zusteht. Dazu zählen alle Teile vom Unterkiefer abwärts bis zum Darm. Ua sisin bezeichnet fast den gleichen Teil des geschlachteten Tieres, der oben faif iuk genannt wurde, jetzt aber den unteren Rücken (uat, Muskel, Sehne, Ader; sisi, Fleisch). Bei diesen Teilen handelt es sich um die beiden großen Muskelpartien, die im Uab Meto auch keot genannt werden. Bei einem oe maun fanu handelt es sich um einen Strnschmuck in der Form eines Kreuzes, das mit Hahnenfedern geschmückt ist (oe). Der so`it ist ein Haarkamm aus Büffelhorn, mit dem das Haar auf dem Hinterkopf zu einem Knoten zusammengefasst wurde. Beide sind Bestandteil der Atoin Meto-Tracht, die vom Adel oder den Krieger-Kopfjägern als Kopfschmuck getragen wurde.
[20] Die beiden parallelen Wortpaare pah / nama` // taon / mahonis habe ich schon in Seos Version kommentiert. Der Erzähler verwendet auch in seinem Prosa-Text diese Paare aus dem Register der rituellen Rede (tonis), da sie für das Ergebnis der Ansiedlung der Neno-Kanaf im Lamu fundamental sind. Die Migranten aus Molo bringen diese Qualitäten mit, sie bereichern das Leben der vor ihnen gekommenen, sie sind willkommen.
[21] Name`me`o, so viel und so schnell essen, bis man satt, vom Essen aber kurzatmig geworden ist.
[22] Das parallele Wortpaar tun muni / taul muni übermittelt folgende Bedeutung: tunas muni, der neue, noch potentielle Spross einer Pflanze; taul muni, eine neue Fortsetzung (Verbindung). Gemeinsam verweist diese Formulierung auf die nächste, die kommende Generation. Alternativ: tutus muni / talus muni, was zuletzt gepflanzt wird, was danach gepflanzt wird.
[23] Lisan ma akal, das meist verwendete, parallele Wortpaar zur Bezeichung eines tadelswertes, schlechtes Verhalten. Lisan, Charakter oder Verhalten wird negativ verstanden. Die Ergänzung akal, Strafe oder Züchtigung, fügt dem Verhalten die Handlung hinzu Lisan in Verbindung mit einem Personalpronomen, in lisan, gilt als neutral, ohne Bewertung des Verhaltens.
[24] Amfini, der Plural von amaf, so wie ein Vater sein (ama, der biologische Vater; ama=f, ein politischer Funktionsträger; am=fini, die ehrenwerten Väter). J.Ch. Sapay wendet sich mit diesem Titel an die am Historiker-Seminar teilnehmenden Repräsentanten aus Kuan Fatu und Kualin.
Demnächst: Der Fürst im Lamu - Die Dichtung
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