Dienstag, 17. November 2020

Der Fürst im Lamu - Die Erzählung


Vorbemerkung

Die umgangssprachliche Erzählung über Nai Lobis Nope, dem Usif Bi Lamu, wurde in der Nacht des 13. Februars 1992 während des ersten Historiker-Seminars in Nai Lete, Kuan Fatu, von J.Ch. Sapay vorgetragen. Der Text folgt weitgehend der gleichnamigen Tonis-Dichtung. Beide Textsorten erzählen die gleiche Geschichte, weichen jedoch geringfügig voneinander ab. Die umgangssprachliche Erzählung dient in diesem Zusamenhang dem bessereren Verständnis der minimalistischen Versbildung.

Nai ist die respektvolle Anrede für Mitglieder der herrschenden Klasse, vergleichbar dem europäischen Sir für Ritter oder ähnliche Würdenträger der Aristokratie (vgl.a. Tetun rai, Erde). Im Gegensatz dazu werden Honoratioren mit dem Titel Ni angesprochen, der dem Eigennamen vorausgeht.

Lobis Nopes Ankunft im Lamu

Früher bildeten Ton und Finit, Babis und Sapai, mit dem Feto Nae eine Einheit, nämlich mit Tino und Finit, mit Toni und Boni. Gemeinsam sorgten die Feto Nae für die jährlichen Erntetribute (poni ma bo): für das mit Reis gefüllte Palmblattpäckchen (flol pis tele), das Schwein mit dem menschlichen Körper (faif ao atoni), für Gartenfrüchte im Überfluss (nensa ma pehe) sowie für Körbchen voll mit Betel (kabin ma mama). Die Areka- und Kokosnusssprösslinge, die kleine Luangbanane und das große Zuckerrohr, all dies trugen sie auf Kopf und Schulter in Nopes Palast nach Niki Niki. Mit diesen Gaben ernährten und fütterten sie unseren Herrn und unseren Herrscher, unsere Mutter und unseren Vater Ni Koli, Ni Toli, Ni Amu, Ni Nope, Ni Nuban und Ni Toi, in Klaban und Tain Lasi, Maunu und Niki Niki.

Dienstag, 1. September 2020

Der Fürst im Lamu - Die Dichtung


Vorbemerkung

Die Tonis-Dichtung Usif Bi Lamu (oder der Boimau-Krieg, Makenat Boimau) überliefert einen Konflikt zwischen Uis Banam Nopes Sohn Lobis, der als Repräsentant seines Vaters in den Lamu kam, dort nach Kualin heiratete und von Klis Boimau, einem seiner Feto Nae, ermordet wurde. In dieser Zeit war Bil Nope Uis Banam. Die Nope-Genealogie führt den Namen Bil zweimal auf: Seo Bil in der dritten (spätes 17. Jahrhundert) und Bil in der elften Generation (um 1906 nach A. McWilliam), sodass ich mir nicht ganz sicher bin, um welchen Bil es sich in dieser Überlieferung handelt. Da Seo Bil der Vater von Tubani ist, der die Expansionskriege zur Vergrößerung Banams führte, handelt es sich in dieser Überlieferung sehr wahrscheinlich um den Bil Nope, der Anfang des 20. Jahrhunderts der Uis Banam war. Die auf Boimaus Attentat folgende Auseinandersetzung endete auch für die Herren von Kuan Fatu fatal und führte zu ihrer zeitweisen Vertreibung über den Noel Mina.
J.Ch. Sapay trug diese Überlieferung in der Nacht des 13. Februars 1992 während des ersten Historiker-Seminars in Nai Lete, Kuan Fatu, vor. Die Übersetzung dieser mündlichen Dichtung ins Deutsche ist, wie bisher gehandhabt, ebenfalls keine Interlinear-, sondern eine freie Übersetzung, die dem Fluß der Erzählung und der besseren Lesbarkeit den Vorzug vor einer sprachwissenschaftlichen Analyse gibt. Exemplarisch habe ich eine Tonis-Dichtung der Atoin Meto - Der Abi Loemnanu-Krieg - in Die Kuan Fatu-Chronik wissenschaftlich bearbeitet.

Freitag, 10. Juli 2020

Ni Neno Geschichte - Die Erzählung


Vorbemerkung

Die kanafzentrische, regionalhistorische mündliche Dichtung der Migration der Neno-Namengruppe präsentiere ich, wie jede andere aus aus Kuan Fatu auch, in zwei unterschiedlichen Textsorten. Allerdings weicht die folgende, umgangssprachliche Erzählung der Geschichte Nenos von J.Ch. Sapay, die er am 9. Februar 1992 gleich im Anschluss an Seos Dichtung vortrug, gleich zweimal von dessen Version ab, wie ich bereits in Kommentaren der poetischen Version erwähnt habe: in der Erzählung von Nenos Sieg am Tapan und der dritten Migration nach Kuan Fatu

Ni Nenos Geschichte

Früher hatte Ni Neno einen Großvater und lebte im Weiler Benu am Fuß des Mutis, im Land Molo, im zentralen Bergland Westtimors. Damals erinnerte Ni Neno sich und schaute hinunter in den Lamu, wo es freies Land (pah) im Überfluss gab. Dort wollte er siedeln und seinen eigenen Anteil (nama`) erwerben. Damit seine Lineage auf eigene Weise leben (taos), und seine Nachkommenschaft gedeihen kann (mahonin). Dort gab es kundige Männer, die Regen rufen und das Land fruchtbar machen konnten.
Zuletzt brachen Nai Kius Pitae und Nai Lil Mata Kbeti auf und machten sich auf den Weg nach Süden. Sie kannten die Adat (lasi) und kamen nicht heimlich, und erst recht nicht durch die Hintertür zu unserem Herrn und Herrscher, zu unserer Mutter und zu unserem Vater Ni Koli, Ni Toli, Ni Amu, Ni Nope, Ni Nuban und Ni Toi, die in Klaban und Tain Lasi, in Maunu und Niki Niki in ihrem Palast und in ihrer Residenz lebten.

Samstag, 13. Juni 2020

Ni Nenos Geschichte - Die Dichtung


Vorbemerkung

Die Tonis-Dichtung, die Ni Nenos Geschichte (Lasi Ni Neno) erzählt, überliefert die Migration der Namengruppe Neno aus Nunbela in Molo in den Lamu nach Südamanuban. Sie handelt von der Herkunft Nenos, eines Vasalls der herrschenden Klasse des feudalen, vorindonesischen Kuan Fatus, und deren Schwierigkeiten sich im Lamu anzusiedeln, aber auch von seiner herzlichen Aufnahme durch die Herren des Bodens, die wiederholten Versuche eine neue Heimat zu finden und letztlich die Ansiedlung und politische Allianz mit der rituell-politischen Konförderation, die in den Kuan Fatu-Dichtungen durch Ni Sole repräsentiert wird. Musa Leni Seo hat diese Version am 13. Februar 1992 in Nai Lete, Kuan Fatu, vorgetragen.
Lasi ist ein nicht eindeutig zu übersetzendes Lexem, zu vielfältig ist das Zusammentreffen unterschiedlicher Bedeutungen, die eng miteinander verbunden sind. So ist es für Einheimische und auch für Fremde erforderlich, die jeweilige Bedeutung von lasi kontextuell zu erschließen. Das auffälligste Merkmal dieses schillernden Begriffes ist der formelle Charakter derjenigen Situationen, die als lasi gelten. In diesem Rahmen bildet lasi eine Kategorie, die rituelle Situationen, Sitten und Gebräuche bezeichnet, eben alles, was die Atoin Meto als traditionell (meto, einheimisch) auffassen, historische Überlieferungen, soziale und politische Ordnungen, rechtliche Sachverhalte sowie durch Gewohnheit entstandene Konsensualisierungen, aber auch die Gültigkeit von Überzeugungen. Lasi oder lais meto ist insofern mit dem panindonesischen Konzept der Adat identisch.

Mittwoch, 20. Mai 2020

Das Land Kuan Fatu - Die Erzählung


Vor Zeiten schon hatte der Uis Banam seine Krieger-Kopfjäger berufen, nämlich Sole und Nome, Nabuasa` und Teflopo. Zum seinem obersten Heerführer (Meo Nae) bestimmte er Ni Sole. Bei seinen Aufgaben unterstützten ihn seine vier Alliierte, nämlich Ton und Finit, Babis und Sapai (Amaf)
J.Ch. Sapay hat den Inhalt der poetischen Version Das Land Kuan Fatu am 12. Februar 1992, in der gleichen Nacht, in Nai Lete, Kuan Fatu, Südamanuban kurzgefasst als umgangssprachliche Erzählung vorgetragen.

Samstag, 9. Mai 2020

Das Land Kuan Fatu - Die Dichtung


Vorbemerkung

In der Nacht zum 12. Februar 1992 komponierte J.Ch. Sapay unter dem großen Lopo in Nai Lete eine Versdichtung, deren Thema die territoriale, politische Struktur von Kuan Fatu und dem benachbarten Noe Muke (Pah Kuan Fatu ma Noe Muke). In 234 Versen beschrieb er die Territorialgrenzen und die politischen Gruppen (kanaf, Namengruppe), die dieses Territorium kontrollierten.
Das vorindonesische, feudale Amanuban (Banam) war politisch in eine Vielzahl von Staatsdomänen (domininum, state domain) gegliedert, jedes von ihnen bildete die Gesamtheit der zu dem einzelnen politischen System gehörenden Ressourcen, kleinere Sub-Domänen (Usiftum), die in nachbarschaftlicher Konkurrenz verbunden waren. In Bezug auf Banam (ager publicus) gehörte auch die der Aristokratie untergeordnete Bevölkerung dazu. Ein solches Dominium war Privateigentum der herrschenden Klasse des Atoin Meto-Adels (ager privatus), das heißt, sie konnten über die Staatsdomäne wie ihren Privatbesitz verfügen. Die Domänenländereien überließen sie den Bauern, die sie für jährliche Tributzahlungen bewirtschafteten.

Dienstag, 28. April 2020

Der Sonba`i-Krieg - Die Erzählung


Vorbemerkung

Die mündliche Dichtung über den Krieg, den Tubani Nope gegen den Sonba`i führte (Makenat Sonba`i), den Herrscher in Molo und Miomafo, Pai Neno und Oenam, bildet in den Überlieferungen der Kuan Fatu-Chronik den dritten Expansionskrieg zur Gründung des vorindonesischen Banams. Musa Leni Seo hat die Tonis-Dichtung dieser Überlieferung in der Nacht zum 11. Februar 1991 im großen Lopo von Nai Lete, Kuan Fatu, Südamanuban, als eine umgangssprachliche Erzählung zusammengefasst, als einfache Geschichte, die es dem uneingeweihten Leser erleichtert, den Inhalt der gleichnamigen Dichtung von J.Ch. Sapay besser zu verstehen. Bei dem Vergleich der beiden Versionen fallen Widersprüche auf, die an entsprechender Stelle kommentiert werden. Diese Widersprüche werfen aber ein interessantes Licht auf die Entstehung regional historischer Überlieferungen im oralen Kontext, die immer nur als klanzentrische Versionen existieren, und da sie nur in der Situation des Vortrags existieren, nicht widerholbar sind. Keine Version gleicht ganz genau der anderen, selbst die nicht, die vom selben Dichter-Sprecher zum selben Thema zu einer anderen Zeit komponiert wird.

Samstag, 25. April 2020

Der Sonba`i-Krieg - Die Dichtung


Vorbemerkung

Die mündliche Dichtung über den Krieg, den Tubani Nope gegen den Sonba`i führte (Makenat Sonba`i), den Herrscher in Molo und Miomafo, Pai Neno und Oenam, bildet in den Überlieferungen der Kuan Fatu-Chronik den dritten Expansionskrieg zur Gründung des vorindonesischen Banams. Vorgetragen wurde diese Dichtung von J. Ch. Sapay in der Nacht zum 11. Februar 1991 im großen Lopo von Nai Lete, Kuan Fatu, Südamanuban.

Dienstag, 31. März 2020

Die Grenze zwischen Kuan Fatu und Lasi - Die Erzählung


Vorbemerkung

Die Tonis-Dichtung Meo Nae ma Meo Kliko behandelt den Grenzverlauf der beiden Lehen, die Mnanu und Pilis Sole sowie Kaba Nabuasa` nach dem Abi Loemnanu-Krieg zugewiesen bekam. Vorgetragen wurde diese umgangssprachliche Erzählung in der Nacht zum 9. Februar 1992 in Nai Lete, Kuan Fatu, in Südamanuban, von Musa Leni Seo, dem Mafefa von Ch.Z. Babys.

Die Grenze zwischen Kuan Fatu und Lasi

Nachdem Tubani Nope die Expansionskriege gegen Abi Loemnanu im Westen und Kolo Banunaek im Süden Banams erfolgreich für sich entscheiden konnte, schickte er Ni Lape Isu, um seine loyalen Vasallen Sole und Nabuasa` mit Ländereien zu belohnen. Als die Nai Lamu aufgefordert wurden, sich im Sonaf in Niki Niki zu versammeln, um sich an der Entscheidungsschlacht gegen Abi Loemnanu am Bia Moko zu beteiligen, wurde diese Mobilmachung ebenfalls von Ni Isu vom Ayo Toen aus verkündet, einem Hügel in der Nähe des heutigen Panan. Dies war der erste Ruf, der von Ayo Toen ausging, und jetzt, nach dem Sieg über Abi Loemnanu, wurde vom Ort der ersten Mobilmachung aus auch das Territorium unter die Sieger aufgeteilt. Die Nai Lamu Meo Lamu wurden durch die beiden Namengruppen Sole (Meo Nae) und Nabuasa` (Meo Kliko) repräsentiert.

Mittwoch, 25. März 2020

Die Grenze zwischen Kuan Fatu und Lasi - Die Dichtung


Vorbemerkung

Die historische Überlieferung der Atoin Meto in Amanuban bewahren Spezialisten (mafefa, der einen Mund besitzt) in Form konkurrierender Versionen regionaler Geschichte (tonis), die gleichzeitig ethnische und Klanidentität stabilisieren und sichern. Im Verlauf geredeter Rituale (rituals of oration; James J. Fox, 1979) komponiert der Mafefa komplexe Dichtungen (tonis) aus dem Stegreif, die in dieser Form nicht wiederholbar sind.
Die folgende Tonis-Dichtung (Meo Nae ma Meo Kliko), die Musa Leni Seo im 7. Februar 1992 in Nai Lete, Kuan Fatu, vortrug, behandelt die Landmarken der Territorien von Sole, dem Meo Nae Baman in Kuan Fatu und Nabuasa`, einem der drei Meo Kliko Banam in Lasi. Diese beiden Namengruppen (kanaf) repräsentieren, einst wie heute, die politische Elite dieser beiden politischen Territorien in Südamanuban.
Im Kontext der Dichtungen der Kuan Fatu-Chronik nimmt dieser Text eine besondere Position ein, behandelt er doch das Thema, das überhaupt erst zur Dokumentation der mündlichen Dichtungen aus Kuan Fatu führte, ein konstruktives Missverständnis die Hierachie der vier Großen Krieger-Kopfjäger (Meo Naek Banam) betreffend. Meine Verwechslung von naek (groß) und nae (älter in der Geschwisterreihe), und meine Bezeichnung von Nabuasa` als Meo Nae, und nicht als Meo Naek, motivierte Charles Zeth Babys aus Oebesa, Soë, den berechtigten Titelinhaber des ältesten der Meo Naek Banam, dazu, die regionale Geschichte Kuan Fatus in neun Dichtungen von den Männern seiner inoffiziellen, politischen Administration erzählen zu lassen, die über die entsprechenden Kompetenzen verfügten.

Montag, 23. März 2020

Der Kolo Banunaek-Krieg - Die Erzählung


Vorbemerkung

Ein charakteristisches Merkmal einer Tonis-Dichtung ist ihre Kontextorientierung, die es mit sich bringt, dass der Dichter-Sprecher in der Komposition seiner Verse mit Andeutungen auskommt. Er kann sich darauf verlassen, dass sein Publikum ihn auch ohne umfangreiche Erläuterungen versteht. Für Außenstehende ist dies aber nicht der Fall, da er die Geschichte hinter der Geschichte, die erzählt wird, nicht versteht. Um diese Situation zu umgehen, wurde jede Tonis-Dichtung im Anschluss an ihren Vortrag umgangssprachlich als einfache Erzählung wiederholt. Die anschließende, prosaische Erzählung vom Krieg gegen Kolo Banunaek erzählte J.Ch. Sapay in der Nacht vom 9. Februar 1992 in Nai Lete.

Der Krieg gegen Uis Kolo Banunaek

Vor vielen Generationen wurden die Herren des Waldes und der Savanne (Nai Lamu Humone`) und ihre politischen Funktionäre (Amfini) von Tubani Nope, dem Uis Banam, ihrem Herrn und Herrscher, ihrer Mutter und ihrem Vater in seinem Sonaf in Niki Niki versammelt. Ni Koli, Ni Toli, Ni Amu, Ni Nope, Ni Nuban und Ni Toi hatten beschlossen einen Sona Bano in Klaban und Tain Lasi, in Maunu und Niki Niki zu errichten.

Samstag, 21. März 2020

Der Kolo Banunaek-Krieg - Die Dichtung


Vorbemerkung

Feldforschungen erreichen nur dann ihr Ziel, wenn es dem Ethnologen gelingt, sich auf seine Gastkultur einzulassen. Erst wenn vorformulierte Thesen angesichts einer fremden Realität zerbrechen, und die Distanz dem Ethnologen unerträglich wird, ist er mit Situationen, Begegnungen und Sachverhalten konfrontiert, die er, noch in seine akademische Welt eingebunden, weit von sich gewiesen hätte.
Von der Dokumentation indigener Tracht und textiler Ikonographie bis hin zur Untersuchung ritualisierten Sprechens und epischer Dichtung musste ich einen weiten Weg zurücklegen. Wer diesen Weg in Ostindonesien geht, erkennt, dass epische Dichtung und textile Motivik symbolische Kommunikationssysteme sind, die sich in den Ritualen des Lebenszyklus mannigfaltig miteinander verschränken.
Außer der Tonis-Dichtung Der Abi Loemnanu-Krieg, der 1999 in Buchform erschienen ist, besteht die Kuan Fatu-Chronik aus acht weiteren Dichtungen, die in den Nächten vom 7. bis zum 14. Februar 1992 in Nai Lete vorgetragen wurden. Die Reihenfolge der einzelnen Dichtungen ist nicht zufällig oder willkürlich so entstanden. Die regionale Geschichte der Atoin Meto kennt keine Zeitrechnung westlicher Geschichtsüberlieferung und auch keine absolute Chronologie. Ihr historisches Bewusstsein ist von einem früher oder später geprägt, unabhängig davon, wie viele Jahre oder Generationen die einzelnen Ereignisse trennen. Der Grenzverlauf zwischen Kuan Fatu und Lasi wurde nach dem Kolo Banunaek-Krieg festgelegt und Ni Neno erreichte den Lamu erst nach dem Sonba`i-Krieg, und als Lobis Nope versuchte, seine Herrschaft auf den Lamu auszudehnen, war Neno schon lange anwesend. Nur so viel ist sicher, die Ereignisse, die in der Kuan Fatu-Chronik überliefert werden, fanden irgendwann zwischen dem späten 17. und 19. Jahrhundert statt, soweit die dynastischen Listen der Herrscherdynastien von Nope und Sole-Babis zuverlässig sind.

Dienstag, 10. März 2020

Der Abi Loemnanu-Krieg - Eine Analyse


Mündliche Dichtung und regionale Geschichte in Westtimor [1]


Vorbemerkung

Die mündliche Dichtung über den Abi Loemnanu-Krieg (Makenat Abi Loemnanu) wurde am 9. Februar 1992 von J.Ch. Sapay in Nai Lete, Kuan Fatu, in Südamanuban vorgetragen. Die Tonis-Dichtung über diese militärische Auseinandersetzung, die vor nunmehr fünfzehn Generationen stattfand, irgendwann im späten 17. Jahrhundert, präsentiere ich an dieser Stelle nur kursorisch. Ausführlich bearbeitet und dokumentiert findet sie der interessierte Leser in meiner Dissertation von 1999: Die Kuan Fatu-Chronik. Form und Kontext der mündlichen Dichtung der Atoin Meto (Amanunban, Westtimor). Meine Online-Publikation weiterer mündlicher Dichtungen aus Kuan Fatu folgt der Argumentation der grundlegenden Untersuchung dieses ostindonesischen, literarischen Genres. Nur gelegentlich komme ich in der Fortsetzung der Kuan Fatu-Chronik, allerdings nicht umfänglich, auf dort vertretene Thesen, auf Erläuterungen zu den Übersetzungen der Verse, die ich aus Verständnisgründen gelegentlich sehr frei ins Deutsche übersetzen musste, sowie auf die kulturellen Hintergründe zurück.

Montag, 9. März 2020

Der Abi Loemnanu-Krieg - Eine Synopsis


Vorbemerkung

Die Tonis-Dichtung Makenat Abi Loemnanu der Kuan Fatu-Chronik ist die erste von insgeamt neun weiteren mündlichen Dichtungen, die die regionale Geschichte der Atoin Meto in Kuan Fatu, Südamanuban, thematisiert. In meiner Dissertation habe ich die Abi-Dichtung exemplarisch genutzt, um Form und Inhalt dieses literarischen Genres zu analysieren. Im Gegensatz zu den anderen acht Dichtungen aus Kuan Fatu, die in diesem Weblog vollständig publiziert sind, enthält dieser Blog nur eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse meiner Dissertation. Die vollständige Dichtung über den Abi-Krieg liegt nur in der Print-Ausgabe Die Kuan Fatu-Chronik vor. In dieser berichtet J.Ch. Sapay vom ersten Expansionskrieg Tubani Nopes gegen den autochthonen Herrscher Abi Loemnanu, mit dem Ziel, Banam, das heutige Amanuban unter seiner Herrschaft zu vereinen. Aufgrund von in Die Protagonisten der Kuan Fatu-Chronik geschilderten historischen und biographischen Details, ist dieser Krieg für die herrschende Elite der vor-indonesischen Domäne Kuan Fatu relevant.
Die in dem Weblog Seine Rede ist nicht irgendeine publizierten Dichtungen kommen gelegentlich auf die hier geschilderten Ereignisse zurück, ohne die handelnden Protagonisten biographisch als Individuum zu fassen. Soweit ein solches Unternehmen überhaupt gelingen kann, habe ich versucht in Die Protagonisten der Kuan Fatu-Chronik ihre Biographien aus den Texten und exegetischen Interviews zu rekonstruieren.

Eine Synopsis

In den Tagen, in denen Uis Banam Tubani Nope sein Machtzentrum noch in Tunbes hatte, dem heutigen Ostamanuban, entschied er sich, den rechtmäßigen Herrscher im Süden und Westen Banams, Abi Loemnanu, anzugreifen und zu vertreiben.

Sonntag, 8. März 2020

Die mündlichen Dichtungen aus Kuan Fatu

Die Atoin Meto in Amanuban, Westtimor, verwenden in ihren Ritualen eine literarische Form der Rede, die für andere Kulturen Ostindonesiens ungenau als ritual language bezeichnet wurde. Thematisch beziehen sich die von mir Tonis genannten Dichtungen der Atoin Meto auf historische Überlieferungen einzelner Namengruppen (kanaf), durch die diese ihre gemeinsame Identität begründen, stabilisieren und bewahren. Die mit Abstand wichtigsten Themen erläutern die Herkunft von Namengruppen sowie deren gegenseitige Beziehungen, den Ursprung und die Berechtigung der bestehenden sozialen und politischen Ordnung sowie die Beziehungen dieser Gruppen zu ihrem Siedlungsraum.

Freitag, 28. Februar 2020

Neon Apinat, Neon Aklahat


Eine Zeugenformel der rituellen Rede

Das parallele Lexempaar Neno Pinat, Neon Aklahat oder variiert Neon Apinat, Neon Aklahat nennt den Uis Banam, den obersten Regenten der Nope-Dynastie, bei seinem machtvollsten Titel, und ruft diesen als Zeugen für die Richtigkeit des Inhalts einer Tonis-Dichtung an. Uis Banam ist der Titel des Herrschers (usi) des feudalen Amanubans. Er war für Jahrhunderte, unterstellt man den Atoin Meto die europäische Adelsnomenklatur, der König von Banam. Das Substantiv usi, metathesiert uis, ist die Titulatur, mit der ranghöchste der politischen Funktionsträger der Aristokratie des feudalen Amanubans angeredet wurde. Seine Vasallen, die mit ihm alliierten Verbündeten, die untergebenen Fürsten der einzelnen Territorien, wurden wie ein Usif genannt.
Das Uab Meto kennt aber das Verb na=uis, das im Kontext der christlichen Liturgie in der Bedeutung von verehren, huldigen, Gott Ehre und Respekt bezeugen, verwendet wird. Während der Titel usi allein für den obersten Regenten des feudalen Gesellschaftssystems reserviert war, redete man die Repräsentanten der exekutiven Funktionen der feudalen Bürokratie mit usif an. Das Verb nauis drückt nun genau die Empfindungen aus, die die Bevölkerung des feudalen Amanuban einst ihren Herren und Herrschern (tuan / usi) bis heute entgegenbringen.

Samstag, 15. Februar 2020

Die Protagonisten der Kuan Fatu-Chronik


Ton und Finit, Babis und Sapai

Die Tonis-Dichtungen aus Kuan Fatu, heute ein indonesisches Dorf in Südamanuban, berichten über Themen der regionalen Geschichte der vorindonesischen Bevölkerung der Domäne Kuan Fatu, deren Grenzen weit über die des rezenten Dorfs hinausgehen, und die geprägt sind von der politischen Herrschaft von vier alliierten Namengruppen: Ton und Finit, Babis und Sapai, verwandtschaftlich verbundene Gruppen, die parallel zur indonesischen Adminstration auch heute noch inoffiziellen politischen Einfluss in dieser Domäne ausüben. Die Funktion der Texte der Kuan Fatu-Chronik besteht darin, von ihrer Herkunft, von den Taten ihrer Ahnen, historischen Ereignissen, ihren gegenseitigen Beziehungen sowie von der Legitimierung ihrer Herrschaft über das Territorium Kuan Fatu zu erzählen. Das Eigennamenbündel Ton und Finit, Babis und Sapai in diesen Erzählungen, repräsentiert diese vier Namengruppen, die auch mit dem mittelalterlichen europäischen Terminus Adel bezeichnet werden können. [1]

Ein Held der Kuan Fatu-Chronik, über den die Erzählung Der Abi Loemnanu-Krieg berichtet, ist der magisch mächtige Krieger-Kopfjäger Ni Nope Sanak, der apical ancestor der heute in Südamanuban lebenden Namengruppe Sapay. Der Mitproduzent der Kuan Fatu-Chronik, der Dichter-Sprecher J.Ch. Sapay, ist ein direkter Nachfahre des vor 13 Generationen lebenden Nope Sanak. Im Abi-Krieg schildert Sapay, wie die Domäne Kuan Fatu, mit dem Meo Nae Sole Le`u an der Spitze der politischen Hierarchie, als Resultat dieses Krieges im späten 17. Jahrhundert entstand. Er erzählt auch vom Schicksal der in die kriegerischen Ereignisse verwickelten und durch diese entwurzelten Namengruppen Ton, Finit, Babis und Sapai:

Samstag, 18. Januar 2020

Unser Wunsch ist erwacht!

Das Studium regionaler Geschichte in Amanuban

Welchen Wert hat die Auseinandersetzung mit den historischen Überlieferungen einer kleinen Ethnie am Rand der Welt in einer Zeit, deren Zeichen eindeutig auf die kulturelle Nivellierung der Menschheit unter die Hegemonie westlicher Normen und Werte eingestellt sind?
Welchen Wert hat die Auseinandersetzung mit den historischen Überlieferungen einer kleinen Ethnie am Rand der Welt in einer Zeit, in der ein Klimawandel, der inzwischen Klimakrise genannt werden muss, in der religiöser Fundamentalismus grassiert und geopolitische Konflikte noch immer militärisch gelöst werden, in der ein global operierender wirtschaftlicher Neoliberalismus unvorstellbare Armut verursacht, und die Menschheit auf einem, vielleicht irreversibel beschädigten Planeten lebt. Unsere Zeit ist eine prekäre Zeit, in der niemand weiß, ob es wieder besser wird. Welchen Wert hat das Studium regionaler, historischer Überlieferungen am Rand der Ökumene angesichts der großen globalen Herausforderungen unserer Zeit überhaupt?

Sonntag, 12. Januar 2020

Juristische Legitimation der Grenzen Kuan Fatus


Vorbemerkung

Diese folgende Urkunde befindet sich im Besitz von Charles Zeth Babys, Keluruhan Oebesa (Soë, Amanuban Barat), und wurde von ihm zur Veröffentlichung freigegeben. Er zeigte sie mir im September 1991 als Beweis seiner Landrechte und seiner Herkunft. Die Bezeichnung Pah Tuaf, Herr des Bodens, im Text der Urkunde, bestätigt diese Rechte (für die Übersetzung des gesamten Texts ins Deutsche s.u.).
Der Titel Pah Tuaf wird aus zwei Subataniven des Uab Meto gebildet: pah, Land im Sinn von politischem, nationalem, ethnischem Territorium, Siedlungsraum oder Region; tuaf, ein Derivat von tuan, Herr, ist derjenige, der etwas besitzt, wie Ländereien, Güter oder Prestige. Der gleiche Titel kann auch für die entsprechende Namengruppe (kanaf) verwendet werden, da sie dieses Territorium einst zuerst in Besitz genommen hat. Aus dieser ersten Inbesitznahme leiten sich für diese Namengruppe bestimmte rituelle, ökonomische und sozio-politische Rechte ab. Clarke E. Cunningham hat die nach der Ankunft einzelner Abstammungsgruppen im Territorium geregelte Hierarchie und deren gegenseitige Beziehungen für das Desa Soba in Amarasi (Südwesttimor) beispielhaft beschrieben (Categories of descend groups in a Timor village, Oceania 37, 1966::13-21).

Freitag, 10. Januar 2020

Seo, Sapay und Babys


Urheber und Textproduzenten der Kuan Fatu-Chronik

Drei Persönlichkeiten aus Amanuban, Charles Zeth Babys (Oebesa, Westamanuban), Johan Christian Sapay (Nakmofa, Südamanuban) und Musa Leni Seo (Kele, Südamanuban), waren übereingekommen, die mündlichen Dichtungen ihrer regionalen Geschichte mit meiner Hilfe zu dokumentieren und zu verschriftlichen, damit sie für die folgenden Generationen bewahrt werden. Sie waren nicht die einzigen, aber die wichtigsten, denn ohne ihr Engagement und ihre Beziehungen - zu indonesischen Behörden, den beiden Konfessionen und Repräsentanten einflussreicher Namengruppen in Südamanuban - wäre dieses Projekt nicht zustande gekommen. Ihnen allen gebührt mein Dank.

Charles Zeth Babys

Charles Zeth Babys, eine charismatische Persönlichkeit Mitte fünfzig mit einer jahrzehntelangen Sozialisation in der indonesischen Bürokratie, war während meiner Anwesenheit in Amanuban mein Nachbar in Oebesa mit regelmäßigen familiären Kontakten. Früher war er als Lehrer beschäftigt, jetzt ist er Vorsitzender der Partai Demokrasi Indonesia (PDI) im Kabupaten Timor Tengah Selatan (TTS), Vize-Sekretär (Wakil Sekretaris) der Provinzverwaltung (Nusa Tenggara Timur) in Kantor Gubernor in Kupang sowie Vorsitzender einer freien Trägerorganisation, der Yayasan-Stiftung (Yayasan Kasimo), die soziale, und landwirtschaftliche Entwicklungsprojekte in TTS durchführt. Darüber hinaus engagiert er sich im Vorstand der Kirchengemeinde der Gereja Katolik St. Maria Mater Dolorosa.

Montag, 6. Januar 2020

Mein Weg nach Kuan Fatu


Als ich 1989 nach Westtimor kam, wusste ich nur, was in der einschlägigen ethnographischen Literatur zu finden war. Ein Jahr vorher hatte ich meinen Magister in Völkerkunde an der Universität zu Köln erworben. Nach Amanuban kam ich als ein Greenhorn und blutiger Anfänger, der sich eine ethnologische Feldforschung in den Kopf gesetzt hatte, von der ich seit meiner Kindheit träumte. In den beiden Weblogs Das Indonesische Tagebuch und Amanuban Mon Amour schreibe ich seit Jahren fortlaufend über meine Erfahrungen aus diesen Jahren im Feld.

Hermann Fiedler bereiste 1929 Timor, die größte Insel Ostindonesiens. In Form einer in diesen Jahren üblichen ethnographischen Monographie beschrieb er anschaulich die beiden naturräumlichen Landschaften Westtimors, die auch Amanuban charakterisieren. Über die im Südwesten bis an den Fluß Noel Mina reichende Bena-Ebene schreibt er: Die Berge treten nun an der Küste, die bald ganz Ost-West verläuft, mehr und mehr zurück, Raum lassend für eine große Ebene in Länge von 50 km, bei 5, 8, 10-14 km Breite. Die größte Breite erreicht sie fast an der Westgrenze am Lauf des Noil Mina (...). Aber diese große Ebene, eine riesige Grasfläche mit Lontarpalmen und nach den Hügeln des Binnenlandes zu mit Gruppen von Akazien, Kusambi, Tamarinden u.a., ist nicht bebaut oder bewohnt.