Mittwoch, 25. März 2020

Die Grenze zwischen Kuan Fatu und Lasi - Die Dichtung


Vorbemerkung

Die historische Überlieferung der Atoin Meto in Amanuban bewahren Spezialisten (mafefa, der einen Mund besitzt) in Form konkurrierender Versionen regionaler Geschichte (tonis), die gleichzeitig ethnische und Klanidentität stabilisieren und sichern. Im Verlauf geredeter Rituale (rituals of oration; James J. Fox, 1979) komponiert der Mafefa komplexe Dichtungen (tonis) aus dem Stegreif, die in dieser Form nicht wiederholbar sind.
Die folgende Tonis-Dichtung (Meo Nae ma Meo Kliko), die Musa Leni Seo im 7. Februar 1992 in Nai Lete, Kuan Fatu, vortrug, behandelt die Landmarken der Territorien von Sole, dem Meo Nae Baman in Kuan Fatu und Nabuasa`, einem der drei Meo Kliko Banam in Lasi. Diese beiden Namengruppen (kanaf) repräsentieren, einst wie heute, die politische Elite dieser beiden politischen Territorien in Südamanuban.
Im Kontext der Dichtungen der Kuan Fatu-Chronik nimmt dieser Text eine besondere Position ein, behandelt er doch das Thema, das überhaupt erst zur Dokumentation der mündlichen Dichtungen aus Kuan Fatu führte, ein konstruktives Missverständnis die Hierachie der vier Großen Krieger-Kopfjäger (Meo Naek Banam) betreffend. Meine Verwechslung von naek (groß) und nae (älter in der Geschwisterreihe), und meine Bezeichnung von Nabuasa` als Meo Nae, und nicht als Meo Naek, motivierte Charles Zeth Babys aus Oebesa, Soë, den berechtigten Titelinhaber des ältesten der Meo Naek Banam, dazu, die regionale Geschichte Kuan Fatus in neun Dichtungen von den Männern seiner inoffiziellen, politischen Administration erzählen zu lassen, die über die entsprechenden Kompetenzen verfügten.

Die historischen Ereignisse, auf die sich Seos Dichtung bezieht, ereigneten sich nach dem Krieg, den Tubani Nope im 17. Jahrhundert gegen den autochthonen Herrscher im heutigen Südamanuban - Abi Loemnanu - führte (vgl. meine Untersuchung Die Kuan-Fatu-Chronik, die den Abi Loemnanu-Text als Grundlage der Analyse der mündlichen Dichtung der Atoin Meto vorstellt). Die Verleihung der Titel Meo Nae und Meo Kliko regelt die politisch-territoriale und soziale Hegemonie der Namengruppen in dieser Region und bindet ehemalige Vasallen Abi Loemnanuns an die Nope-Dynastie. Die Formulierung "nach dem Krieg" bezieht sich auf die Überlieferungsperspektive der Dichter-Sprecher (mafefa) in Kuan Fatu und muss relativ chronologisch aufgefasst werden. Legendenbildung und Regionalgeschichte im Umfeld oraler Literatur kennt keine absolut chronologischen Daten.
Musa Seo, dem dieser Text zu verdanken ist, war während meines Aufenthalts in Kuan Fatu der vorerst letzte politische Sprecher (mafefa) Kuan Fatus. Seine Nachfolge war bei meiner Abreise noch ungeregelt. Seine Dichtung bildet nur die historische Perspektive des Kuan Fatu-Adels ab, nicht die der Namengruppen aus dem benachbarten Lasi, und ist deshalb kanafzentrisch wie die entsprechende Lasi-Version von A. McWilliam, der die Version der Nabuasa`-Namengruppe publiziert hat. Wie jede andere regionale Überlieferung der Atoin Meto konkurriert sie mit vergleichbaren Versionen mytho-historischer Ereignisse, beleuchtet schlaglichtartig den für die eigene Gruppe wichtigsten Aspekt. Neben der Überlieferung grenzsetzender Landmarken, die gleichzeitig an die Migration der jeweiligen Gruppe erinnern, übernimmt eine Tonis-Dichtung auch die Aufgabe, das soziale und politische Prestige einer Namengruppe zu mehren. Die historische Wahrheit, wenn es denn überhaupt eine solche gibt, liegt allenfalls zwischen einzelnen Versionen.


Meo Nae und Meo Kliko - Dichtung

Sole, der Meo Nae und ältere Krieger-Kopfjäger, und Nabuasa`, der Meo Kliko und der jüngere Krieger-Kopfjäger, repäsentieren zwei benachbarte, herrschende Namengruppen-Allianzen in Südamanuban. In dem Register der mündlichen Dichtung werden sie auch als Mone Nae oder Mone Kliko, der ältere Mann und der jüngere Mann, bezeichnet. Die beiden parallelen Paare beschreiben gleichzeitig ihren Titel und Rang sowie ihre Position in der militärischen Befehlshierachie der Armee des Usif Banam in Niki Niki. Zusammen mit Nome und Teflopo, den beiden anderen Meo Kliko Banams, bilden sie die vier Meo Naek Banam, die vier Großen Krieger-Kopfjäger Banams, die Oberbefehlshaber Nopes. Bezogen auf die sozialen Beziehungen und Hierarchien auf der Ebene von Lineage und Klan berührt die Beziehung nae / kliko die verwandtschaftliche olif-tataf-Beziehung (jüngerer-älterer-Bruder).

Prolog: Thema und Kontext der Dichtung (Vers 1 - 4)

1 Neno pinat, neon aklahat - matua kaut mausi kaut maama kaum [ maena kau ]
Himmel, du Strahlender, Sonne, du Versengende - mein Herr, mein Herrscher, mein Vater und [ meine Mutter ]

Die in der Kuan Fatu-Chronik charakteristische Zeugen- oder Botenformel Neno Pinat Neon Aklahat, grammatisch korrekt Neon Apinat, Neon Aklahat, habe ich in einem Exkurs erläutert und interpretiert.

2 Pen-pen nalali sona bnao ni fanu Nenu Banamat Bunuam [ Bi Ten ]
Nachdem das Dach des Sona Bnao mit den acht Pfosten gedeckt war in Nenu, Banam und in Bunu und [ Bi Teno ]

Für Bedeutung und Umfeld des Namens Sona Bnao vgl. die Tonis-Dichtung Der Kolo Banunaek-Krieg, die von der Ernennung der vier Krieger-Kopfjäger Banams, der Meo Naek Banams, erzählt.

3 Ni Nuban, Ni Toli, Ni Poli, Ni Amu, Ni Nope bi Klabnam Tain Lasit Maunum [ Nik Nik ]
Ni Nuban, Ni Toli, Ni Koli Ni Amu, Ni Nope in Klaban und Tain Lasi, in Maunu und [ Niki Niki ]
4 In neknam in tainat in nopnam [ in nanan ]
Seine Gedanken und sein Wille, seine Gefühle und [ sein Innerstes ]

Das Eigennamenbündel in Vers 3 zählt im ersten Teil die mit Nope alliierten Namengruppen auf. Das Ortsnamenbündel in der zweiten Hälfte des Verses nennt die mit dem Nope-Sonaf in Niki Niki assoziierten Ritualorte.
Die Bedeutung der parallelen Wortpaare in Vers 4, die innere Organe als leibliche Inseln von Emotionen und Willensentscheidungen bezeichnen, habe ich in meinem Essay Damit Dein Herz versteht, damit Dein Bauch begreift ausführlich erörtet.

Der Grenzverlauf in Südamanuban (Vers 5 - 34)

5 Es na neno i leun Ni Laep Isum man pi` o lanan man nao [ lanan ]
Und an diesem Tag wurde Ni Lape Isu angewiesen den Weg zu beschreiben und [ dem Weg zu folgen ]
6 Netu Ayo Toenam tu` i [ Ayo Toen ]
Zum Hügel Ayo Toen und zur Anhöhe [ Ayo Toen ]
7 Neno pinat neon [ aklahat ]
Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
8 Na` an lulun paham mana lul [ nifu ]
Um das Land zu bestimmen und um anzuweisen den [ See ]
9 Neno pinat neon [ aklahat ]
Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
10 Es Kaulam Foi Fatuam Si`u nonon neno pinat neon [ aklahat ]
Nämlich Kaula, Foi Fatu, Si`u Nono - Himmel du Strahlender, Sonne du [Versengende ]
11 Napau neu tasit ten tipu` on fain neman li` ok [ fain nem ]
Am Meer hielt er inne und kehrte zurück, kehrte um, wendete und [ kam zurück ]
12 Nak lel on man baina neu neno in tesnam neno [ in mofum ]
Wendete und blickte in Richtung Westen, [ nach Westen ]
13 Neno pinat neon [ aklahat ]
Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
14 Es Ayo Toenenu Oe Haen neno pinat neon [ aklahat ]
Nämlich von Ayo Toen nach Oe Haen - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [Versengende ]
15 Okat Oe Haen Kobe Bi Uki neon apinat neon [ aklahat ]
Und nachdem er nach Oe Haen gezeigt hatte, wies er nach Kobe Bi Uki - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
16 Kobe Bi Uki Nono Namen neno pinat neon [ aklahat ]
Und von Kobe Bi Uki zum Nono Lamen - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
17 Nono Namen Oe Sena neno pinat neon [ aklahat ]
Von Nono Lamen nach Oe Sena - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [Versengende ]
18 Na` okat No` Fatum Boilasi Nifu Pap neno pinat neon [ aklahat ]
Und schließlich nach No´ Fatu, Boilasi und Nifu Pap - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
19 Na` Boilasi Nifu Pap neno pinat neon [ aklahat ]
Boilasi und Nifu Pap - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
20 Nifu Pap Noe Saha neno pinat neon [ aklahat ]
Von Nifu Pap nach Noe Sahan - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [Versengende ]
21 Noe Saha Kelo Nakaf neno pinat neon [ aklahat ]
Von Noe Sahan nach Kelo Nakaf - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [Versengende ]
22 Nanbol neu Faut Kelo neno pinat neon [ aklahat ]
Und kam dann in Faut Kelo an - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [Versengende ]

Ni Lape Isu, der in Vers 5 erwähnt wird, ist einer der beiden Usif, der andere ist Nakamnanu, der hier die Funktion der Landverteilung wahrnimmt und die Grenze der Lehen zwischen den Territorien der verdienten Nope-Vasallen Sole und Nabuasa` festlegt. Die in den Versen 14 bis 22 aufgezählten Orte, wobei Seo den Uis Banam in jedem Vers als Zeuge anruft, bezeichnen Landmarken, Hügel (ayo), Felsen (fatu), Quellen (oe), Bäche (nono) und Flüsse (noe) sowie Tümpel und Seen (nifu), die die Grenzen des Territoriums von Ni Sole beschreiben.
Auf Befehl des Usif Banam brach Ni Lape Isu nach Ayo Toen auf, ein Hügel bei Panan im Grenzgebiet von Süd- und Zentralamanuban. Den Hügel Ayo Toen wählte aus, weil dieser Ort hoch genug lag, um das gesamte Territorium sowie alle Landmarken, die als Grenzpunkte zwischen Sole und Nabuasa` bezeichnet werden sollten, bis hinab an den Noel Mina, zu übersehen. Bei klaren Wetter kann man vom Ayo Toen bis nach Kupang sehen (für die Aufzählung der Orte vgl. die Prosa-Version).

Den Verlauf der Grenze zwischen Kuan Fatu und Lasi markieren nach M.L. Seo die folgenden Orte: Oe Hane - Kobe Bi Uki - Nono Lamen - Oe Sena - No` Fatu - Boilasi - Nifu Pap - Noe Saha - Kelo Nakaf - Faut Kelo. Während eines Interviews mit J.Ch. Sapay widersprach dieser Seos Angaben und nannte, vom Ayo Toen aus, folgende Orte: Klus Tunan - Nono Lamen - Nifu Pap - Noe Saha - Kobe Bi Uki - Pan Teko Panan. Seos Grenzmarken, so fährt er fort, sind zu ausführlich. Außerdem nennt Seo Kobe Bi Uki an falscher Position. Seinen eigenen Grenzverlauf bezeichnete er als genauer. Ich muss diesen Widerspruch unkommentiert lassen, da ich niemanden finden konnte, der den einen oder anderen Verlauf der Grenze bestätigen konnte. Sapays Kritik ist allerdings erstaunlich, ist er es doch, der die umfangreicheren Dichtungen komponiert, und nicht Seo, dessen Texte mit weniger Versen auskommen.

In der territorial-politischen Staatsdomäne Lasi kontrolliert der Meo Kliko Nabuasa` (nahan nao) ein Gebiet, das durch das folgende Ortsnamenbündel repräsentiert wird: der Hügel Kiuk Eno (Oepliki) - der Hügel Ponai Nenu (OeEkam) - der Hügel Buninu (Oepliki) - der Hügel Fatu Mnasi (Oepliki). Dieses Ortsnamenbündel wird auch als einen Weg beschreiten (nao) umschrieben, in der Absicht ein Territorium zu umrunden. Diese Orte bilden keine statische Grenze, sondern stehen stellvertretend für das gesamte Territorium. Es ist das Gebiet des Meo Kliko, das er mit seiner weißen Fahne (penpen muti) und seinem grauen Hengst (bikaes moen abu) durchstreift, um die innere Ordnung aufrechtzuerhalten, um diese Grenzen zu sichern.

23 On mone nae moen [ kliko ]
Nämlich der Mone Nae und der Mone [ Kliko ]
24 Sini eukenuat es nane sini tefkenuat [ es nane ]
Die sich dort trafen und die zusammengetroffen sind [ dort ]
25 Sini mnah kenuat es na sinim mniun kenuat [ es na ]
Die dort gegessen haben und die getrunken haben [ dort ]

Das parallele Wortpaar ekun und tefan bezeichnet in den Tonis-Dichtungen ein Zusammentreffen, eine Begegnung zur Beratung oder Verhandlung, von sozialen oder politischen Gruppierungen. Sin ekun / sin tefan, sie. Sole und Nabuasa` treffen aufeinander. Vers 23 nennt Sole den Mone Nae und Nabuasa` den Mone Kliko, die am Nifu Pap trafen, und zwar schon während des Abi Loemnanu-Krieges. Später definiert Isu dann den See Nifu Pap als eine der Grenzmarken des im Abi-Krieg von Nope hinzugewonnenen und als Lehen geschenkten Territoriums. Mit diesen beiden Zeilen erinnert Seo an die Grundlage der Beziehung zwischen Sole und Nabuasa`.
Vers 25 erwähnt mit sin mnah kenu / sin mnium kenu ihren Hunger und ihren Durst. Diese Metapher hat eine doppelte Bedeutung: Einerseits drückt sie den Hunger und Durst nach neuem Siedlungsland aus, wie hinsichtlich Nope Sanaks Forderung nach einem Lehen in der Abi Loemnanu-Dichtung. Dort wird die heiße Sphäre der Kriegsmagie (der le`u musu) durch die Gabe eines Lehens abgekühlt und die Krieger-Kopfjäger in ihre Siedlungen entlassen. Andererseits bezeichnet die Hunger-Durst-Metapher Land und Landbesitz, den Ort, an dem sich der Vasall niederlassen und sich ernähren kann, reiche Ressourcen vorfindet: guten fruchtbaren Boden, Quellen und Nutzbäume, von denen er essen und trinken kann.

26 Natik pah - Nenu Banamat Bunuam [ Bi Ten ]
Sie dehnten das Land aus - Nenu, Banam und Bunu und [ Bi Teno ]

Natik und nasap sind ein paralleles Wortpaar mit ähnlicher Bedeutung. Beide Worte weisen auf eine Tätigkeit hin, bei der etwas von sich weg und weiter nach vorne geschoben wird. Während natik ein Vorwärtsschieben mit dem Fuß meint, dessen Ferse dabei fest gegen den Untergrund gedrückt wird, muss man sich bei nasap ein allmähliches, aber dennoch kontinuierliches zur Seite schieben mit dem Fuß vorstellen. Handelt es sich natik um ein Vorwärtsschieben nach vorne, ist mit nasap ein Wegschieben zur rechten oder linken Seite gemeint. Im übertragenen Sinne beziehen sich diese beiden Begriffe auf die Tätigkeit, auf die Pflicht und Verantwortung des Krieger-Kopfjägers (meo) für das ihm zum Schutz anvertraute Territorium. Ausdehnen und erweitern lautet deshalb die angemessene Übersetzung. Ein Teritorium, das ausgedehnt und erweitert werden muss, ist begrenzt und eng (ma`lenat / manua), überbevölkert, sodass die verfügbaren Ressourcen nicht mehr ausreichen, um alle zu ernähren. Geeigneter, neuer Siedlungsraum, lag immmer schon im Westen der Insel, sodass sich Klansegmente schließlich zur Migration entschlossen. Die Tonis-Texte legen ein beredtes Zeugnis davon ab, dass die Geschichte der Atoin Meto eine Geschichte der Migration von Osten, aus Zentraltimor kommend, nach Westen ist, wo die freien, unbesiedelten Räume lagen.
Das Ortsnamenbündel in diesem Vers bezieht sich auf Amanuban (Banam), beziehungsweise auf einzelne Regionen einer Landschaft, die ausgedehnt und erweitert (erobert) werden soll.

27 Nenuonam nakonbon - neno pinat neon [ aklahat ]
Machten es weit und groß - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [Versengende ]

Nenuon bedeuter lang (ausgestreckt), muss in den Tonis-Texten aber als weit und ausgedehnt übersetzt werden. Dieses Verb verwendet der Dichter-Sprecher, im Gegensatz zu nasap, immer dann, wenn ein Territorium ausreichend groß und reich an Ressourcen für die gegenwärtige Bevölkerung ist.
Nakonbon, in der gleichen Bedeutung, verwendet die rituelle Rede als Parallelwort.
Nenuon / nakonbon bezeichnet das Resultat der Aktivität der Meo, die das Land breit treten wie erläutert.

28 Kan uk nale` ubonam kan ek [ nale` u ]
Damit es nicht gefaltet, nicht zerstört wurde und nicht bedeckt wurde, nicht [ zerstört ]
29 Neno pinat neon [ aklahat ]
Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
30 Oktan batin tenim man bo` [ ten ]
Und schließlich wurde es weiter geteilt und zugeteilt wurde es [ weiter ]
31 Nok Ni Fa` ot neno pinat neon [ aklahat ]
Mit Ni Fa`ot - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
32 Es at na` ko Supul neno pinat neon [ aklahat ]
In Supul - Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
33 Leuk nana Noe Hiukenu in nonon bol aha` Mio neno pinat neon [ aklahat ]
Dem Noe Huki folgend bis nach Mio - Himmel,du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
34 Es nak sinit nak on Linah Laksopot Usapi Ta`eli - neno pinat neon [ aklahat ]
Deshalb nennt man sie Linah Laksopo und Usapi Ta`eli - Himmel, du Strahlender, Sonne, du
Versengende ]

Batin und bo` in Vers 30 sind ein paralleles Wortpaar in der Bedeutung von teilen, aufteilen. Zusammen mit Vers 31 thematisiert der Dichter-Sprecher eine weitere Grenze, nämlich die zwischen Nabuasa` und Fa`ot im heutigen Desa Tetaf (Westamanuban), die nördliche Grenze von Lasi. Diese Region gehörte ehemals zum Reich Abi Loemnanus und wurde nach dessen Niederlage zwei weiteren Nope-Verbündeten, nämlich Fa`ot und Bel gegeben, die zu den Meo Humone gehören, den Krieger-Kopfjägern der Savanne (im nördlichen Amanuban). Im Unterschied ihnen sind Sole und Nabuasa` Meo Lamu, Krieger-Kopfjäger des Waldes, beides Titulaturen, die den Charakter der Landschaft, in der diese Namengruppen siedeln, charakterisieren.

Der Noe Huki (in Vers 33), ein Fluß, der durch Nulle und Mnela Lete (Namengruppe Selan) fließt, bildete eine weitere begrenzende Landmarke. Mio ist das heutige Desa Mio in Südamanuban.
Beide Ortsbezeichnungen markieren die nördliche Grenze des Nabuasa`-Territroiums, die dieser mit Fa`ot gemeinsam hat.

Linah ist der Granatapfelbaum (Punica granatum; BI delima) und usapi der Kusambi-Baum (Schleichera oleosa MERR.). Laksopo ist einer der Ehrennamen (kan akun) von Nabuasa`, während Ta`eli der von Fa`ot ist.
Vers 34 nennt in metaphorischer Rede die Protagonisten der historischen Ereignisse. Die Namenformel Linah Laksopo / Usapi Ta`eli erinnert an das Ritual, das anlässlich der Grenzziehung, der Regelung des territorialen Besitzes zwischen Fa`ot und Nabuasa`, stattfand. Fa`ot und Nabuasa` befanden sich dabei auf den gegenüberliegenden Ufern des Noe Huki. Während Nabuasa`, als Ni Isu die Grenzmarkierungen nannte, unter einem Granatapfelbaum lagerte, weilte Fa`ot unter einem Kusambi-Baum.

Appell an die neue Generation (Vers 35 - 49)

35 Es matua kaum mausi kaut maama kaum [ maena kau ]
So besitze ich einen Herrn, einen Herrscher, einen Vater und [ eine Mutter ]
36 Koen nabetin funam natef tan nonom [ natef ]
Die Jugend streift umher, trifft zusammen, zieht umher und [ trifft wieder zusammen ]
37 Nen toinat nahin ma nen a` nat [ nahin ]
Hört die Rede und versteht sie, hört die Worte und [ versteht sie ]
38 Henati bi neno amuintam fai [ amunit ]
Damit in den kommenden Tagen, in den Nächten [ die kommen werden ]
39 Mikfili nabalahat miponi [ nabalah ]
Damit der sichere Ort bestehen bleibt und der feste Platz [ erhalten bleibt ]
40 Neon apinat neon [ aklahat ]
Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
41 Neu afi fef bela han bela mone nae moen [ kliko ]
Denn früher verkündete es der Mund, gab es die Stimme bekannt, für den Mone Nae und den Mone [ Kliko ]

Das Verb bela, niederlegen, deponieren (in Vers 41), muss im übertragenen Sinn als etwas bekanntgeben, verkünden, übersetzt werden. Dieser Vers legitimiert die Entscheidung der Grenzziehung zwischen den Lehen, die dem mone nae und dem mone kliko zugewiesen wurden.
Ein anvertrautes Gut, ein Mandat, für das die Treuhänderschaft übernommen wurde, wird hier als fefan bela // hanan bela bezeichnet (fefan, Mund, hanan, Stimme). Im übertragenen Sinn bedeutet dieses Wortpaar der Mund verkündet // die Stimme gibt bekannt, eine Metapher für Funktion und Absicht dieser Tonis-Formel, die verlangt, Überlieferungen, die durch die Adat geschützt sind, zu achten und zu tradieren (nabela, bewahren). Fef bela // han bela bezeichnet eine Ordnung (lasi), die einst von den Vorfahren aufgestellt wurde. Die eigentlichen Urheber einer solchen Übereinkunft sind nicht die Lebenden, schon gar nicht der Dichter-Sprecher, der nur der Mund ist, der mafefa), sondern die Ahnen. Von den Nachkommenschaft wird erwartet, dass sie sich an diese Ordnung binden, ihr folgen, sodass diese Übereinkunft bewahrt und nicht vergessen wird (Vers 36 - 38).

42 Neno pinat neon [ aklahat ]
Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
43 Nateta fuf kenum nahakeb hae kenu neon apinat neon [ aklahat ]
Der Kopf wird eingestochen und die Füße angehoben - Himmel, du Strahlender, Sonne, du
[ Versengende ]

Die Metapher in Vers 43 besteht aus zwei Teilen: nateta fufun bedeutet den Kopf einstechen (fufun, Scheitel; der Teil des Kopfes, auf dem Frauen ihre Lasten tragen) und nahake hae, die Füsse anheben: etwas in den Kopf stechen, um so die Füße vom Boden anzuheben.
Die Gemeinsamkeit des Meo Nae und des Meo Kliko besteht in ihrer Funktion für das Usiftum Banam, dieses zu sichern und weiter auszudehnen. Das Potential, die kämpferische Kraft dieser beiden großen Krieger-Kopfjäger, besonders wenn sie gemeinsam handeln, ist vergleichbar mit dem Schrecken, den diese Metapher androht. Sie erinnert den Zuhörer an die grausame Strafe des im feudalen Amanuban verhängten Pfählens (pos manu) auf mit Öl präparierten Bambusstäben. Umschrieben wird auch dieses Mal, dass der Verletzung der Adat (lasi) die Strafe auf dem Fuße folgt. Seos Formulierung klingt kurios, denn viele meiner Informanten waren sich einig waren, dass dass Pos Manu genannte Pfählen im feudalen Amanuban durch den After erfolgte.

44 Tatik pahan funam natef tan nonom [ natef ]
Damit das Land ausgeweitet und breit werden konnte, streiften sie umher und trafen aufeinander, umkreisten das Land und [ trafen wieder zusammen ]
45 Tasap pahan funam natef tan nonom [ natef ]
Machten das Land breit, streiften umher und trafen zusammen, umkreisten das Land und [ trafen aufeinander ]
46 Ni Nuban, Ni Toi, Ni Koli, Ni Toli, Ni Amu, Ni Nope ona tefu po` an nuam on ai pina [ nua ]
Ni Nuban, Ni Toi, Ni Koli, Ni Toli, Ni Amu, Ni Nope legten zwei Zuckerrohrgärten an und die Feuerflamme
[ die beiden ]
47 Manu hana nuam on ai pina [ nua ]
Ein Hahn mit zwei Stimmen und das eine Feuer, mit den Flammen [ mit beiden ]
48 Koe bako nuam ma baf [ nua ]
Hörten zwei Freudenjubel und die Schreie [ die beiden ]
49 Neno pinat neon [ aklahat ]
Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]

Die beiden Zuckerrohrgärten (tefu po`an nua) und die beiden Feuerflammen (ai po`an nua) stehen metaphorisch für die beiden neuen Usiftümer. Der Dichter-Sprecher spricht in Vers 46 zwei (nua) Einheiten an, Gärten und Flammen, die an Sole und Nabuasa` gegebenen Lehen.
Der Parallelismus manu hanan nua / ai pina nua in Vers 47 nimmt auf die veränderte politische Situation in Banam nach der Vertreibung Abis Bezug. Der Hahn mit den zwei Stimmen (manu hanan) und die beiden Feuerflammen (ai pina) bezeichnen Sole und Nabuasa`, die die nach dem Abi-Krieg neu gewonnene Einheit Banams in der westlichen Grenzregion verteidigen und bewahren sollen. Um die ehemaligen Abi-Vasallen an sich zu binden, gab Nope ihnen ihr Land und ihren See (pah ma nifu).
Erneut variiert entspricht Vers 48 in seiner Bedeutung den vorausgehenden Versen 46 und 47. Sole und Nabuasa` ihre Freude über das ihnen anvertraute Lehen aus. Im feudalen Amanuban war es früher üblich, sich singend dem Usi Banam in seinem Sonaf zu nähern. Diese Gesänge begleiteten auch die Präsentation der Erstlinge der Ernte und der Ernteabgaben (poni pah) an den Usif, dem man tributpflichtig war. In Rhythmus und Melodie gleichen sie denjengen der Bonet-Tänze und in beiden Fällen ist es üblich, in einer Art Sprechgesang der Situation angemessene Verse (ne) zu rezitieren, die den westindonesischen Pantuns gleichen. Solche Gesänge hießen koe bako (koe, ein individueller Ruf oder Schrei ähnlich dem Jodler). Der baf ist ein in Melodie und Rhythmus völlig anderen Sprechgesang, der von Freude und Applaus gekennzeichnet ist. Während des Eintretens, des Einzugs in den Sonaf, verband man früher diese beiden Arten des Sprechgesangs zu einer Abfolge. Während der koe bako eine feierliche, fast ehrfürchtige Rezitation ist, steht bei einem baf der Jubel applaudierender Zustimmung im Vordergrund.

Epilog (Vers 50 - 59)

50 Es aubuom simo u`taim [ on i ]
Sodass ich mich so respektvoll nähere und es entgegennehme [ so ]

Das Lehen als Gunstbezeugung der Usi Banam. Aub bedeutet ankommen um Respekt zu zollen, eine Handlung, die mit dem Entgegennehmen einer Anordnung oder eines Befehls verbunden ist. Utaim entspricht dem Parallelwort simo, entgegennehmen, empfangen.

51 Ablas on iyam ubhae [on i ]
Meine Arme respektvoll über der Brust gekreuzt den Willen erfülle [ auf diese Weise ]

Ablas bezeichnet die im Angesicht hochgestellter Adeliger eingenommene Gestik. Mit untergeschlagenen Beinen, die Arme vor der Brust verkreuzt, nahm einst der Untergebene deren Willen mit gesenktem Haupt entgegen. War es nötig zu antworten, bedeckte der Sprechende den Mund mit erhobenen, gefalteten Händen (aub ma u`tain), vermied es dabei, ihm in die Augen zu sehen. Dies wurde als Respektlosigkeit aufgefasst worden, die einer Anmaßung gleichkam. In dieser Haltung war der Untergebene bereit, den Willen des Fürsten entgegenzunehmen und seine Befehle auszuführen. Ubhae bedeutet dienen, zu Willen sein, zur Verfügung stehen. Die abhae sind die Diener im Palast, die dem Usi für die verschiedensten Tätigkeiten zur Verfügung stehen.
Die vier Begriffe aub und utaim (Vers 50) sowie ablas und ubhae bezeichnen Haltungen und Verhaltensweisen der Demut und des Respekts im Angesicht des absolut regierenden Usi Banam, der als neno anan, Kind der Himmelsgottheit Uis Neno, betrachtet wurde. Die Formel Ablas / ubhae beschreibt eine andere Gestik, die ebenfalls höfliche Unterordnung und respektvolle Zurücksetzung der eigenen Person ausdrückt. Diese Haltung entspricht dem Atoin Meto-Ideal des gesitteten Menschen, der die geltenden Konventionen kennt und beachtet.

52 Au tuak au usi kam au amkam [ au enak ]
Mein Herr, mein Herrscher, mein Vater und [ meine Mutter ]
53 Naitin nen toinat nahinem nen a`nat [ nahin ]
Sodass meine Rede Gehör findet und verstanden wird, meine Worte gehört und [ verstanden werden ]
54 Nak iyam fain nu`un leta neu suf amuintam taub [ amunit ]
Sie wurden gesprochen als Erzählung, als Gleichnis für die kommende Generation, für die Zeit, [ die kommende ]

Nu`un und leta in Vers 54 sind literarische Genre:

  • Nu`un bezeichnet undifferenziert jede Art von Erzählung, Märchen, Legende, Genealogie oder die historischen Berichte der Tonis-Gattung.
  • Leta bringt einen Vergleich zum Ausdruck, ein Sinnbild, Gleichnis oder Ähnliches. Leta heißen auch Gleichnisse oder Sprichwörter, die ein erwünschtes Verhalten auslösen sowie Redewendungen, die erzieherischen Wert besitzen und als Handlungsorientierung im Sinne der Adat gelten. Fefan bela // hanan bela fließt durch seine bindenden Auswirkungen in die nu`an oder leta` genannten Textsorten ein.
    Das parallele Paar sufan amunit / tabu amunit verweist auf die kommenden Blüten (sufan), die die Nachkommen sind und die kommende Zeit (tabu), die Zukunft, die auf die Gegenwart folgende Generation.

55 Neon apinat neon [ aklahat ]
Himmel, du Strahlender, Sonne, du [ Versengende ]
56 Esa ablas on iyam ubhae [ on i ]
Sodass ich die Arme respektvoll über der Brust kreuze und dir diene, [ auf diese Weise ]
57 Aub on iyam u`taim [ on i ]
Mit untergeschlagenen Beinen sitze und deinen Willen respektvoll entgegennehme, [ auf diese Weise ]
58 Au tuak au usik au amkam [ au enak ]
Mein Herr, mein Herrscher, mein Vater und [ meine Mutter ]
59 Nen toinat nahinem nen a`nat [ nahin ]
Hört meine Rede und versteht sie, hört meine Worte [ und begreift sie ]


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