Dienstag, 17. November 2020

Der Fürst im Lamu - Die Erzählung


Vorbemerkung

Die umgangssprachliche Erzählung über Nai Lobis Nope, dem Usif Bi Lamu, wurde in der Nacht des 13. Februars 1992 während des ersten Historiker-Seminars in Nai Lete, Kuan Fatu, von J.Ch. Sapay vorgetragen. Der Text folgt weitgehend der gleichnamigen Tonis-Dichtung. Beide Textsorten erzählen die gleiche Geschichte, weichen jedoch geringfügig voneinander ab. Die umgangssprachliche Erzählung dient in diesem Zusamenhang dem bessereren Verständnis der minimalistischen Versbildung.

Nai ist die respektvolle Anrede für Mitglieder der herrschenden Klasse, vergleichbar dem europäischen Sir für Ritter oder ähnliche Würdenträger der Aristokratie (vgl.a. Tetun rai, Erde). Im Gegensatz dazu werden Honoratioren mit dem Titel Ni angesprochen, der dem Eigennamen vorausgeht.

Lobis Nopes Ankunft im Lamu

Früher bildeten Ton und Finit, Babis und Sapai, mit dem Feto Nae eine Einheit, nämlich mit Tino und Finit, mit Toni und Boni. Gemeinsam sorgten die Feto Nae für die jährlichen Erntetribute (poni ma bo): für das mit Reis gefüllte Palmblattpäckchen (flol pis tele), das Schwein mit dem menschlichen Körper (faif ao atoni), für Gartenfrüchte im Überfluss (nensa ma pehe) sowie für Körbchen voll mit Betel (kabin ma mama). Die Areka- und Kokosnusssprösslinge, die kleine Luangbanane und das große Zuckerrohr, all dies trugen sie auf Kopf und Schulter in Nopes Palast nach Niki Niki. Mit diesen Gaben ernährten und fütterten sie unseren Herrn und unseren Herrscher, unsere Mutter und unseren Vater Ni Koli, Ni Toli, Ni Amu, Ni Nope, Ni Nuban und Ni Toi, in Klaban und Tain Lasi, Maunu und Niki Niki.

Meo Lamu ist der Titel eines politischen Funktionsträgers, bezeichnet aber auch den Krieger-Kopfjäger des Lamu, dem waldreichen Süden Amanubans, die alltagssprachlich oft auch meo asu, wörtlich Katzen-Hund, genannt werden. Im Kontext dieser Dichtung wird mit diesem Titel auch Ni Sole Le`u angesprochen, der Herrscher der vorindonesischen Domäne Kuan Fatu. Der zweite Titel, Feto Nae, die ältere Frau, bezieht sich auf diejenigen Funktionäre, die die jährlichen Erntetribute einsammelten und nach Niki Niki brachten, wo sie dem Uis Banam rituell angeboten wurden: Die Tonis-Texte sprechen in diesem Zusammenhang von ernähren und füttern. Hier meint der Dichter-Sprecher die Namengruppe Toni aus Kualin, der Kuan Fatu südöstlich gelegenen Domäne. In der politischen Organisation Banams, des heutigen Amanuban, bildeten Meo Nae und Feto Nae eine polare Institution reziproker Beziehungen: militärischer Schutz und Versorgung mit Nahrungsmitteln als Erntetribute. Es wäre interessant, herauszufinden, ob hindu-javanischer Einfluss zu einer tri-funktionalen Gesellschaftsstruktur der Aroin Meto-Reiche geführt hat. Die viele Jahrhunderte existierende, interinsulare Handelroute, im äußersten Osten China, im äußersten Westen Arabien, mit Indien und dem westlichen Indonesien im Zentrum, auf der Sandelholz und Wachs aus Timor transportiert wurde, macht diesen Einfluss wahrscheinlich. Auch die magisch-religiöse Funktion eines weiblich-passiven Herrschers im Zentrum einer Domäne, wie der atupas, den H.G. Schulte Nordholt beschreibt, weist in diese Richtung.

Nai Lobis Nope war einer der Söhne des Uis Banam in Niki Niki, der nach Südamanuban in den Lamu geschickt wurde, um dort im Namen seines Vaters die politische Kontrolle zu übernehmen. Im Lamu angekommen, erblickte Nai Lobis die schöne Bi Sopo Sai Toni, die Tochter Tinos, eines der Feto Nae und verliebte sich in sie. Er sah sie und betrachtete sie und sprach:
"Bi Sopo Sai Toni hat eine gelbe Haut und ein sanftes Gesicht." Und weiter sprach er:
"Bi Sopo Sai Toni, nimm meinen Betel an, und esse ihn mit mir."
Und so kam es, dass wir, die Nai Lamu und die Feto Nae, Nai Lobis Nope zu uns holten, und er wurde für uns wie ein Herr und ein Herrscher, wie ein Vater und eine Mutter. Nai Lobis Nope war bereit, zu uns zu kommen, machte sich auf den Weg, kam schließlich nach Mae und Nai Lete, nach Kua Muke und Bi Taek. Die Feto Nae empfingen ihn festlich und überreichten ihm ihre Gaben (opa ma panoka): einen Schweinekopf und einen Büffelkopf.

Bi Sopo ist der Titel einer adeligen Frau. Gelbe Haut, die sehr hell ist, und ein sanftes Gesicht, sind Merkmale, die als schön und begehrenswert angesehen wurden, und dem kulturspezifischen Schönheitsideal entsprachen. Darüber hinaus bezieht sich die Metapher der " Haut" auf Mitglieder des Atoin-Meto-Adels. Lobis Auftrag bestand wahrscheinlich darin, dort eine Heiratsallianz einzugehen, die die Autorität und den Herrschaftsanspruch der Nope-Dynastie in Niki Niki sichern sollte. Was der Dichter-Sprecher mit einer romantischen Liebesbeziehung und sexuellen Attraktion umschreibt, diente in Wirklichkeit kalkuliertem Machtinteressen. Das Anbieten und gemeinsame Essen von Betel zwischen gegengeschlechtlichen Angehörigen der gleichen Generation impliziert die Aufforderung zum Geschlechstverkehr.
Nai Lamu ist ein Titel, mit dem sich die rituelle, ökonomische und politische Konförderation von Kuan Fatu, Noe Muke und Kualin selbst bezeichnet. Vollständig lautet ihr Titel: Nai Lamu Meo Lamu: die Herren des Waldes, die Krieger-Kopfjäger des Waldes; in superiorer Position Ton und Finit, Babis und Sapai.

Nai Lobis Nope äußerte seinen Willen und zeigte seine Gefühle und sprach:
"Ich will hier meinen Palast aufstellen und mein Haus errichten."
Daraufhin nahmen ihn die Nai Lamu und die Feto Nai in ihre Mitte, nahmen ihn respektvoll auf und begleiteten ihn nach Kele und Banabas, nach Nifu Loi und nach Hau Mahatas. Von dort schaute Nai Lobis nach Süden, nach Neke und Kualin, nach Kualin und Kua Tae. Dort sah er Bi Sopo Sai Toni, die er liebte. Er entschloss sich, dort seinen Palast zu errichten und sein Haus aufzubauen, denn Sai Toni war die Tochter des Feto Nae Toni aus Kualin. Nai Lobis Nope, unser Herr und unser Herrscher, unsere Mutter und unser Vater, sah in ihre Augen und erwiderte ihren Blick, drüben in Neke und Kualin, in Kualin und Kua Tae.

Es ist bemerkenswert, das der adelige Nai Lobis, Sohn des absoluten Herrschers von Banam, matrilokal bei den Brautgebern wohnen will.

Entschlossen stieg er den Berg von Kele hinab in die Ebene, kletterte herab und ging hinunter in die weite Savanne, bis zum Geländesporn Oetbolan, wo das Land ausgedehnt und weit ist. Dort errichteten wir das Haus des Herrschers, und erbauten ihm dort seinen Palast. Und die Feto Nae - Tino und Finit, Toni und Bonat - nahmen ihn freundlich auf. Gemeinsam mit dem Meo Nae Ni Sole Le`u, zusammen mit seinen jüngeren Brüdern und seinem kleinen Bruder, seinem Arm und seinen Muskeln, begrüßten sie ihn. Sie kreisten ihn ein und nahmen in ihre Mitte: unseren Herrn und unseren Herrscher, unsere Mutter und unseren Vater Nai Lobis Nope.
Im Buschland von Oetbolan, am Geländesporn von Oetbolan, empfingen ihn die Feto Nae - Tino und Finit, Toni und Bonat - und ihre Amaf und Meo, denn dort war das Land weit und ausgedehnt. Sie nahmen für ihn die Früchte der Arekapalme und der Kokospalme auf ihren Kopf, trugen für ihn das große Zuckerrohr und die kleine Luang-Banane auf der Schulter. Alles das brachten sie in seinen Palast nach Oetbolan.

Alunpahs Beschwerde in Niki Niki

Eines Tages schickte der Uis Banam nach Menu, wo Usif Alunpah, der auch Ni Lui Olo genannt wurde, seinen Palast hatte, und rief ihn zu sich nach Niki Niki.

Die Erzählung über den Konflikt, den die Machtübernahme im Lamu durch Lobis Nope und das Exil der legitimen Kuan Fatu-Elite auslöste, endet an dieser Stelle. Bedauerlicherweise ist die Tonbandaufnahme defekt, der Text nicht erhalten und die Erzählung fragmentarisch.


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