Montag, 23. März 2020

Der Kolo Banunaek-Krieg - Die Erzählung


Vorbemerkung

Ein charakteristisches Merkmal einer Tonis-Dichtung ist ihre Kontextorientierung, die es mit sich bringt, dass der Dichter-Sprecher in der Komposition seiner Verse mit Andeutungen auskommt. Er kann sich darauf verlassen, dass sein Publikum ihn auch ohne umfangreiche Erläuterungen versteht. Für Außenstehende ist dies aber nicht der Fall, da er die Geschichte hinter der Geschichte, die erzählt wird, nicht versteht. Um diese Situation zu umgehen, wurde jede Tonis-Dichtung im Anschluss an ihren Vortrag umgangssprachlich als einfache Erzählung wiederholt. Die anschließende, prosaische Erzählung vom Krieg gegen Kolo Banunaek erzählte J.Ch. Sapay in der Nacht vom 9. Februar 1992 in Nai Lete.

Der Krieg gegen Uis Kolo Banunaek

Vor vielen Generationen wurden die Herren des Waldes und der Savanne (Nai Lamu Humone`) und ihre politischen Funktionäre (Amfini) von Tubani Nope, dem Uis Banam, ihrem Herrn und Herrscher, ihrer Mutter und ihrem Vater in seinem Sonaf in Niki Niki versammelt. Ni Koli, Ni Toli, Ni Amu, Ni Nope, Ni Nuban und Ni Toi hatten beschlossen einen Sona Bano in Klaban und Tain Lasi, in Maunu und Niki Niki zu errichten.

Samstag, 21. März 2020

Der Kolo Banunaek-Krieg - Die Dichtung


Vorbemerkung

Feldforschungen erreichen nur dann ihr Ziel, wenn es dem Ethnologen gelingt, sich auf seine Gastkultur einzulassen. Erst wenn vorformulierte Thesen angesichts einer fremden Realität zerbrechen, und die Distanz dem Ethnologen unerträglich wird, ist er mit Situationen, Begegnungen und Sachverhalten konfrontiert, die er, noch in seine akademische Welt eingebunden, weit von sich gewiesen hätte.
Von der Dokumentation indigener Tracht und textiler Ikonographie bis hin zur Untersuchung ritualisierten Sprechens und epischer Dichtung musste ich einen weiten Weg zurücklegen. Wer diesen Weg in Ostindonesien geht, erkennt, dass epische Dichtung und textile Motivik symbolische Kommunikationssysteme sind, die sich in den Ritualen des Lebenszyklus mannigfaltig miteinander verschränken.
Außer der Tonis-Dichtung Der Abi Loemnanu-Krieg, der 1999 in Buchform erschienen ist, besteht die Kuan Fatu-Chronik aus acht weiteren Dichtungen, die in den Nächten vom 7. bis zum 14. Februar 1992 in Nai Lete vorgetragen wurden. Die Reihenfolge der einzelnen Dichtungen ist nicht zufällig oder willkürlich so entstanden. Die regionale Geschichte der Atoin Meto kennt keine Zeitrechnung westlicher Geschichtsüberlieferung und auch keine absolute Chronologie. Ihr historisches Bewusstsein ist von einem früher oder später geprägt, unabhängig davon, wie viele Jahre oder Generationen die einzelnen Ereignisse trennen. Der Grenzverlauf zwischen Kuan Fatu und Lasi wurde nach dem Kolo Banunaek-Krieg festgelegt und Ni Neno erreichte den Lamu erst nach dem Sonba`i-Krieg, und als Lobis Nope versuchte, seine Herrschaft auf den Lamu auszudehnen, war Neno schon lange anwesend. Nur so viel ist sicher, die Ereignisse, die in der Kuan Fatu-Chronik überliefert werden, fanden irgendwann zwischen dem späten 17. und 19. Jahrhundert statt, soweit die dynastischen Listen der Herrscherdynastien von Nope und Sole-Babis zuverlässig sind.

Dienstag, 10. März 2020

Der Abi Loemnanu-Krieg - Eine Analyse


Mündliche Dichtung und regionale Geschichte in Westtimor [1]


Vorbemerkung

Die mündliche Dichtung über den Abi Loemnanu-Krieg (Makenat Abi Loemnanu) wurde am 9. Februar 1992 von J.Ch. Sapay in Nai Lete, Kuan Fatu, in Südamanuban vorgetragen. Die Tonis-Dichtung über diese militärische Auseinandersetzung, die vor nunmehr fünfzehn Generationen stattfand, irgendwann im späten 17. Jahrhundert, präsentiere ich an dieser Stelle nur kursorisch. Ausführlich bearbeitet und dokumentiert findet sie der interessierte Leser in meiner Dissertation von 1999: Die Kuan Fatu-Chronik. Form und Kontext der mündlichen Dichtung der Atoin Meto (Amanunban, Westtimor). Meine Online-Publikation weiterer mündlicher Dichtungen aus Kuan Fatu folgt der Argumentation der grundlegenden Untersuchung dieses ostindonesischen, literarischen Genres. Nur gelegentlich komme ich in der Fortsetzung der Kuan Fatu-Chronik, allerdings nicht umfänglich, auf dort vertretene Thesen, auf Erläuterungen zu den Übersetzungen der Verse, die ich aus Verständnisgründen gelegentlich sehr frei ins Deutsche übersetzen musste, sowie auf die kulturellen Hintergründe zurück.

Montag, 9. März 2020

Der Abi Loemnanu-Krieg - Eine Synopsis


Vorbemerkung

Die Tonis-Dichtung Makenat Abi Loemnanu der Kuan Fatu-Chronik ist die erste von insgeamt neun weiteren mündlichen Dichtungen, die die regionale Geschichte der Atoin Meto in Kuan Fatu, Südamanuban, thematisiert. In meiner Dissertation habe ich die Abi-Dichtung exemplarisch genutzt, um Form und Inhalt dieses literarischen Genres zu analysieren. Im Gegensatz zu den anderen acht Dichtungen aus Kuan Fatu, die in diesem Weblog vollständig publiziert sind, enthält dieser Blog nur eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse meiner Dissertation. Die vollständige Dichtung über den Abi-Krieg liegt nur in der Print-Ausgabe Die Kuan Fatu-Chronik vor. In dieser berichtet J.Ch. Sapay vom ersten Expansionskrieg Tubani Nopes gegen den autochthonen Herrscher Abi Loemnanu, mit dem Ziel, Banam, das heutige Amanuban unter seiner Herrschaft zu vereinen. Aufgrund von in Die Protagonisten der Kuan Fatu-Chronik geschilderten historischen und biographischen Details, ist dieser Krieg für die herrschende Elite der vor-indonesischen Domäne Kuan Fatu relevant.
Die in dem Weblog Seine Rede ist nicht irgendeine publizierten Dichtungen kommen gelegentlich auf die hier geschilderten Ereignisse zurück, ohne die handelnden Protagonisten biographisch als Individuum zu fassen. Soweit ein solches Unternehmen überhaupt gelingen kann, habe ich versucht in Die Protagonisten der Kuan Fatu-Chronik ihre Biographien aus den Texten und exegetischen Interviews zu rekonstruieren.

Eine Synopsis

In den Tagen, in denen Uis Banam Tubani Nope sein Machtzentrum noch in Tunbes hatte, dem heutigen Ostamanuban, entschied er sich, den rechtmäßigen Herrscher im Süden und Westen Banams, Abi Loemnanu, anzugreifen und zu vertreiben.

Sonntag, 8. März 2020

Die mündlichen Dichtungen aus Kuan Fatu

Die Atoin Meto in Amanuban, Westtimor, verwenden in ihren Ritualen eine literarische Form der Rede, die für andere Kulturen Ostindonesiens ungenau als ritual language bezeichnet wurde. Thematisch beziehen sich die von mir Tonis genannten Dichtungen der Atoin Meto auf historische Überlieferungen einzelner Namengruppen (kanaf), durch die diese ihre gemeinsame Identität begründen, stabilisieren und bewahren. Die mit Abstand wichtigsten Themen erläutern die Herkunft von Namengruppen sowie deren gegenseitige Beziehungen, den Ursprung und die Berechtigung der bestehenden sozialen und politischen Ordnung sowie die Beziehungen dieser Gruppen zu ihrem Siedlungsraum.

Freitag, 28. Februar 2020

Neon Apinat, Neon Aklahat


Eine Zeugenformel der rituellen Rede

Das parallele Lexempaar Neno Pinat, Neon Aklahat oder variiert Neon Apinat, Neon Aklahat nennt den Uis Banam, den obersten Regenten der Nope-Dynastie, bei seinem machtvollsten Titel, und ruft diesen als Zeugen für die Richtigkeit des Inhalts einer Tonis-Dichtung an. Uis Banam ist der Titel des Herrschers (usi) des feudalen Amanubans. Er war für Jahrhunderte, unterstellt man den Atoin Meto die europäische Adelsnomenklatur, der König von Banam. Das Substantiv usi, metathesiert uis, ist die Titulatur, mit der ranghöchste der politischen Funktionsträger der Aristokratie des feudalen Amanubans angeredet wurde. Seine Vasallen, die mit ihm alliierten Verbündeten, die untergebenen Fürsten der einzelnen Territorien, wurden wie ein Usif genannt.
Das Uab Meto kennt aber das Verb na=uis, das im Kontext der christlichen Liturgie in der Bedeutung von verehren, huldigen, Gott Ehre und Respekt bezeugen, verwendet wird. Während der Titel usi allein für den obersten Regenten des feudalen Gesellschaftssystems reserviert war, redete man die Repräsentanten der exekutiven Funktionen der feudalen Bürokratie mit usif an. Das Verb nauis drückt nun genau die Empfindungen aus, die die Bevölkerung des feudalen Amanuban einst ihren Herren und Herrschern (tuan / usi) bis heute entgegenbringen.

Samstag, 15. Februar 2020

Die Protagonisten der Kuan Fatu-Chronik


Ton und Finit, Babis und Sapai

Die Tonis-Dichtungen aus Kuan Fatu, heute ein indonesisches Dorf in Südamanuban, berichten über Themen der regionalen Geschichte der vorindonesischen Bevölkerung der Domäne Kuan Fatu, deren Grenzen weit über die des rezenten Dorfs hinausgehen, und die geprägt sind von der politischen Herrschaft von vier alliierten Namengruppen: Ton und Finit, Babis und Sapai, verwandtschaftlich verbundene Gruppen, die parallel zur indonesischen Adminstration auch heute noch inoffiziellen politischen Einfluss in dieser Domäne ausüben. Die Funktion der Texte der Kuan Fatu-Chronik besteht darin, von ihrer Herkunft, von den Taten ihrer Ahnen, historischen Ereignissen, ihren gegenseitigen Beziehungen sowie von der Legitimierung ihrer Herrschaft über das Territorium Kuan Fatu zu erzählen. Das Eigennamenbündel Ton und Finit, Babis und Sapai in diesen Erzählungen, repräsentiert diese vier Namengruppen, die auch mit dem mittelalterlichen europäischen Terminus Adel bezeichnet werden können. [1]

Ein Held der Kuan Fatu-Chronik, über den die Erzählung Der Abi Loemnanu-Krieg berichtet, ist der magisch mächtige Krieger-Kopfjäger Ni Nope Sanak, der apical ancestor der heute in Südamanuban lebenden Namengruppe Sapay. Der Mitproduzent der Kuan Fatu-Chronik, der Dichter-Sprecher J.Ch. Sapay, ist ein direkter Nachfahre des vor 13 Generationen lebenden Nope Sanak. Im Abi-Krieg schildert Sapay, wie die Domäne Kuan Fatu, mit dem Meo Nae Sole Le`u an der Spitze der politischen Hierarchie, als Resultat dieses Krieges im späten 17. Jahrhundert entstand. Er erzählt auch vom Schicksal der in die kriegerischen Ereignisse verwickelten und durch diese entwurzelten Namengruppen Ton, Finit, Babis und Sapai: