Freitag, 16. April 2021

Die Keile und Stäbe des Waldes - Die Dichtung



Vorbemerkung

Die Tonis-Dichtung Lasi Meo Lamu erzählt von bedeutenden Krieger-Kopfjägern des Lamu, ihrer Herkunft sowie ihrer Beziehung zu Sole Le`u und der herrschenden Klasse von Kuan Fatu. Sie erinnert an Ni Tabun, Ni Seo, Ni Baefeto und Ni Tkela.
Leni Musa Seo trug diese Dichtung in der Nacht vom 14. Februar 1992 unter dem großen Lopo von Nai Lete vor. Anders als die Tonis-Dichtungen von J.Ch. Sapay, die umfangreicher und detailreicher sind, komponiert Seo minimalistische Texte, die sich auf Wesentliches konzentrieren. Es besteht ein charakteristischer Unterschied zwischen den Stilen der beiden Dichter-Sprecher: Der größere Detailreichtung der Dichtungen Sapays machen das Verständnis leichter, während Seos Texte insgesamt esoterischer wirken und ein erheblich umfangreicheres Vorverständnis des Publikums voraussetzen. Dies zeigt sich schon auf den ersten Blick: Seo kommt für die Präsentation seiner Inhalte mit weitaus weniger Versen aus als Sapay. Seine Aussagen sind klarer und schnörkellos, während Sapay mit eingefügten, zusätzlichen Erklärungen arbeitet, wodurch seine Texte oft doppelt so lang werden wie die seines Kollegen. Dieser Unterschied liegt vor allem an der verschiedenen Sozalisation und Ausbildung beider Dichter-Sprecher. Sapay, der Autodidakt, mit höherer Schulbildung und Lehrerberuf, sowie einem Berufsleben in der indonesischen Bürokratie mit vielfältigen Kontakten in die Provinzhauptstadt Soë, Seo, der Analphabet mit seiner Funktion als Mafefa in der informellen politischen Organisation Kuan Fatus, und einem Leben im Umfeld dörflicher und bäuerlicher Strukturen.

Dienstag, 17. November 2020

Der Fürst im Lamu - Die Erzählung


Vorbemerkung

Die umgangssprachliche Erzählung über Nai Lobis Nope, dem Usif Bi Lamu, wurde in der Nacht des 13. Februars 1992 während des ersten Historiker-Seminars in Nai Lete, Kuan Fatu, von J.Ch. Sapay vorgetragen. Der Text folgt weitgehend der gleichnamigen Tonis-Dichtung. Beide Textsorten erzählen die gleiche Geschichte, weichen jedoch geringfügig voneinander ab. Die umgangssprachliche Erzählung dient in diesem Zusamenhang dem bessereren Verständnis der minimalistischen Versbildung.

Nai ist die respektvolle Anrede für Mitglieder der herrschenden Klasse, vergleichbar dem europäischen Sir für Ritter oder ähnliche Würdenträger der Aristokratie (vgl.a. Tetun rai, Erde). Im Gegensatz dazu werden Honoratioren mit dem Titel Ni angesprochen, der dem Eigennamen vorausgeht.

Lobis Nopes Ankunft im Lamu

Früher bildeten Ton und Finit, Babis und Sapai, mit dem Feto Nae eine Einheit, nämlich mit Tino und Finit, mit Toni und Boni. Gemeinsam sorgten die Feto Nae für die jährlichen Erntetribute (poni ma bo): für das mit Reis gefüllte Palmblattpäckchen (flol pis tele), das Schwein mit dem menschlichen Körper (faif ao atoni), für Gartenfrüchte im Überfluss (nensa ma pehe) sowie für Körbchen voll mit Betel (kabin ma mama). Die Areka- und Kokosnusssprösslinge, die kleine Luangbanane und das große Zuckerrohr, all dies trugen sie auf Kopf und Schulter in Nopes Palast nach Niki Niki. Mit diesen Gaben ernährten und fütterten sie unseren Herrn und unseren Herrscher, unsere Mutter und unseren Vater Ni Koli, Ni Toli, Ni Amu, Ni Nope, Ni Nuban und Ni Toi, in Klaban und Tain Lasi, Maunu und Niki Niki.

Dienstag, 1. September 2020

Der Fürst im Lamu - Die Dichtung


Vorbemerkung

Die Tonis-Dichtung Usif Bi Lamu (oder der Boimau-Krieg, Makenat Boimau) überliefert einen Konflikt zwischen Uis Banam Nopes Sohn Lobis, der als Repräsentant seines Vaters in den Lamu kam, dort nach Kualin heiratete und von Klis Boimau, einem seiner Feto Nae, ermordet wurde. In dieser Zeit war Bil Nope Uis Banam. Die Nope-Genealogie führt den Namen Bil zweimal auf: Seo Bil in der dritten (spätes 17. Jahrhundert) und Bil in der elften Generation (um 1906 nach A. McWilliam), sodass ich mir nicht ganz sicher bin, um welchen Bil es sich in dieser Überlieferung handelt. Da Seo Bil der Vater von Tubani ist, der die Expansionskriege zur Vergrößerung Banams führte, handelt es sich in dieser Überlieferung sehr wahrscheinlich um den Bil Nope, der Anfang des 20. Jahrhunderts der Uis Banam war. Die auf Boimaus Attentat folgende Auseinandersetzung endete auch für die Herren von Kuan Fatu fatal und führte zu ihrer zeitweisen Vertreibung über den Noel Mina.
J.Ch. Sapay trug diese Überlieferung in der Nacht des 13. Februars 1992 während des ersten Historiker-Seminars in Nai Lete, Kuan Fatu, vor. Die Übersetzung dieser mündlichen Dichtung ins Deutsche ist, wie bisher gehandhabt, ebenfalls keine Interlinear-, sondern eine freie Übersetzung, die dem Fluß der Erzählung und der besseren Lesbarkeit den Vorzug vor einer sprachwissenschaftlichen Analyse gibt. Exemplarisch habe ich eine Tonis-Dichtung der Atoin Meto - Der Abi Loemnanu-Krieg - in Die Kuan Fatu-Chronik wissenschaftlich bearbeitet.

Freitag, 10. Juli 2020

Ni Neno Geschichte - Die Erzählung


Vorbemerkung

Die kanafzentrische, regionalhistorische mündliche Dichtung der Migration der Neno-Namengruppe präsentiere ich, wie jede andere aus aus Kuan Fatu auch, in zwei unterschiedlichen Textsorten. Allerdings weicht die folgende, umgangssprachliche Erzählung der Geschichte Nenos von J.Ch. Sapay, die er am 9. Februar 1992 gleich im Anschluss an Seos Dichtung vortrug, gleich zweimal von dessen Version ab, wie ich bereits in Kommentaren der poetischen Version erwähnt habe: in der Erzählung von Nenos Sieg am Tapan und der dritten Migration nach Kuan Fatu

Ni Nenos Geschichte

Früher hatte Ni Neno einen Großvater und lebte im Weiler Benu am Fuß des Mutis, im Land Molo, im zentralen Bergland Westtimors. Damals erinnerte Ni Neno sich und schaute hinunter in den Lamu, wo es freies Land (pah) im Überfluss gab. Dort wollte er siedeln und seinen eigenen Anteil (nama`) erwerben. Damit seine Lineage auf eigene Weise leben (taos), und seine Nachkommenschaft gedeihen kann (mahonin). Dort gab es kundige Männer, die Regen rufen und das Land fruchtbar machen konnten.
Zuletzt brachen Nai Kius Pitae und Nai Lil Mata Kbeti auf und machten sich auf den Weg nach Süden. Sie kannten die Adat (lasi) und kamen nicht heimlich, und erst recht nicht durch die Hintertür zu unserem Herrn und Herrscher, zu unserer Mutter und zu unserem Vater Ni Koli, Ni Toli, Ni Amu, Ni Nope, Ni Nuban und Ni Toi, die in Klaban und Tain Lasi, in Maunu und Niki Niki in ihrem Palast und in ihrer Residenz lebten.

Samstag, 13. Juni 2020

Ni Nenos Geschichte - Die Dichtung


Vorbemerkung

Die Tonis-Dichtung, die Ni Nenos Geschichte (Lasi Ni Neno) erzählt, überliefert die Migration der Namengruppe Neno aus Nunbela in Molo in den Lamu nach Südamanuban. Sie handelt von der Herkunft Nenos, eines Vasalls der herrschenden Klasse des feudalen, vorindonesischen Kuan Fatus, und deren Schwierigkeiten sich im Lamu anzusiedeln, aber auch von seiner herzlichen Aufnahme durch die Herren des Bodens, die wiederholten Versuche eine neue Heimat zu finden und letztlich die Ansiedlung und politische Allianz mit der rituell-politischen Konförderation, die in den Kuan Fatu-Dichtungen durch Ni Sole repräsentiert wird. Musa Leni Seo hat diese Version am 13. Februar 1992 in Nai Lete, Kuan Fatu, vorgetragen.
Lasi ist ein nicht eindeutig zu übersetzendes Lexem, zu vielfältig ist das Zusammentreffen unterschiedlicher Bedeutungen, die eng miteinander verbunden sind. So ist es für Einheimische und auch für Fremde erforderlich, die jeweilige Bedeutung von lasi kontextuell zu erschließen. Das auffälligste Merkmal dieses schillernden Begriffes ist der formelle Charakter derjenigen Situationen, die als lasi gelten. In diesem Rahmen bildet lasi eine Kategorie, die rituelle Situationen, Sitten und Gebräuche bezeichnet, eben alles, was die Atoin Meto als traditionell (meto, einheimisch) auffassen, historische Überlieferungen, soziale und politische Ordnungen, rechtliche Sachverhalte sowie durch Gewohnheit entstandene Konsensualisierungen, aber auch die Gültigkeit von Überzeugungen. Lasi oder lais meto ist insofern mit dem panindonesischen Konzept der Adat identisch.

Mittwoch, 20. Mai 2020

Das Land Kuan Fatu - Die Erzählung


Vor Zeiten schon hatte der Uis Banam seine Krieger-Kopfjäger berufen, nämlich Sole und Nome, Nabuasa` und Teflopo. Zum seinem obersten Heerführer (Meo Nae) bestimmte er Ni Sole. Bei seinen Aufgaben unterstützten ihn seine vier Alliierte, nämlich Ton und Finit, Babis und Sapai (Amaf)
J.Ch. Sapay hat den Inhalt der poetischen Version Das Land Kuan Fatu am 12. Februar 1992, in der gleichen Nacht, in Nai Lete, Kuan Fatu, Südamanuban kurzgefasst als umgangssprachliche Erzählung vorgetragen.

Samstag, 9. Mai 2020

Das Land Kuan Fatu - Die Dichtung


Vorbemerkung

In der Nacht zum 12. Februar 1992 komponierte J.Ch. Sapay unter dem großen Lopo in Nai Lete eine Versdichtung, deren Thema die territoriale, politische Struktur von Kuan Fatu und dem benachbarten Noe Muke (Pah Kuan Fatu ma Noe Muke). In 234 Versen beschrieb er die Territorialgrenzen und die politischen Gruppen (kanaf, Namengruppe), die dieses Territorium kontrollierten.
Das vorindonesische, feudale Amanuban (Banam) war politisch in eine Vielzahl von Staatsdomänen (domininum, state domain) gegliedert, jedes von ihnen bildete die Gesamtheit der zu dem einzelnen politischen System gehörenden Ressourcen, kleinere Sub-Domänen (Usiftum), die in nachbarschaftlicher Konkurrenz verbunden waren. In Bezug auf Banam (ager publicus) gehörte auch die der Aristokratie untergeordnete Bevölkerung dazu. Ein solches Dominium war Privateigentum der herrschenden Klasse des Atoin Meto-Adels (ager privatus), das heißt, sie konnten über die Staatsdomäne wie ihren Privatbesitz verfügen. Die Domänenländereien überließen sie den Bauern, die sie für jährliche Tributzahlungen bewirtschafteten.